Sein Anteil
Willem suchte nach Rasierzeug. Unrasiert würde er sich weiterhin schmutzig vorkommen. Hatte nicht Nikita hier irgendwo einen Rasierer deponiert? Er fand nichts außer Pias Ladyshave. Er wechselte die Klinge, schäumte sein Gesicht mit Seife ein. So würde es auch gehen. Es war nicht angenehm, aber besser als nichts.
»Pia?«
»Ja?«
Pia stand in der kleinen Küche und räumte auf, als Willem aus dem Bad kam.
»Ich wollte dich noch etwas fragen. Woher hattest du die Waffe?«
»Nikita hat sie mir gegeben für den Fall, dass etwas schief geht.«
»Und woher hatte Nikita die Waffe?«
»Von Patrick.« Willem sah sie fragend an. »Erinnerst du dich nicht an Patrick? Nikitas Mitbewohner, der Ire?«
Natürlich erinnerte er sich. Patrick war der kleine Rothaarige, der bei seinem Besuch in Nikitas Küche gestanden hatte, zusammen mit dieser fetten Amerikanerin.
»Warum gab dieser Patrick Nikita eine Waffe? Was hat Nikita ihm gesagt?«
»Ich glaube, nichts Besonderes, jedenfalls nichts von der Entführung. Weißt du, Nikita und sein Freund Michail sind nicht nur Handwerker. Sie drehten auch manchmal ein krummes Ding, wie man so sagt. Nikita hat mir nie etwas Genaues erzählt, nur Andeutungen gemacht. Es waren nur Einbrüche oder Diebstähle, alles nur kleine Sachen, glaube ich. Patrick weiß auch davon. Er dachte sicherlich, dass Nikita irgendeinen Bruch vorhätte und die Waffe für den Notfall bräuchte.«
Pias Erklärung stimmte Willem zufrieden.
»Wo ist die Waffe jetzt?«
»Sie muss noch im Wagen liegen, vorne, unter dem Vordersitz.«
»Und der Wagen?«
»Hast du ihn nicht gesehen, als du gestern kamst? Er muss vor der Haustür stehen.«
»Pia, ich hole die Waffe aus dem Auto. Ich kann dann auch gleich die Zeitungen kaufen. Der Supermarkt gegenüber hat doch sonntags geöffnet, oder?«
»Okay. Aber bitte komm wieder. Versprich mir das!«
Willem gab Pia einen flüchtigen Kuss auf die Wange, streichelte ihr über den Arm.
»Und, Will?« Pia sprach jetzt leiser. »Wenn du ans Auto gehst, bring auch die Reisetaschen mit dem Geld mit!«
»Was für Geld? Das…«
Willem konnte vor Erstaunen nicht weitersprechen.
»Nicht so laut, Will. Ich weiß, uns kann niemand hören. Aber sprich darüber nicht so laut.«
Das Lösegeld hatten Pia und Nikita also doch mitgenommen. Er küsste Pia noch einmal, nahm den Autoschlüssel vom Wohnzimmertisch und ging hinunter.
Tatsächlich, der weiße Lieferwagen stand vor der Tür, direkt vor seinem gelben Mercedes. Sie mussten den Wagen wegschaffen, möglichst schnell. Die Polizei würde sicherlich nach ihm suchen. Willem ging aber zuerst in den Supermarkt. Es war kurz nach acht Uhr. Der Laden hatte gerade aufgemacht. Er war aber nicht der erste Kunde. Einige hatten sicherlich draußen vor der Tür gestanden, ungeduldig darauf wartend, frische Croissants zu bekommen, um sich für ihren einsamen Sonntagmorgen zu entschädigen. Auch Willem steckte vier Croissants in eine Tüte, ging dann zum Zeitungsstand und las die Schlagzeilen.
»Kunst-Schmuggler Hewitt erschossen«, brachte die »Mail on Sunday« groß auf Seite eins. Sonst konnte er nirgendwo den Namen Hewitt entdecken. Er nahm aber außer der »Mail« noch die »Sunday Times«, den »Sunday Telegraph« und »News of the World« mit. Schwer wie zwei Telefonbücher wog der Zeitungsstapel unter seinem Arm, als er an der Kasse stand. Er fragte noch nach drei Packungen Marlboro Lights und zahlte, während die Kassiererin seine Einkäufe in zwei Plastiktüten packte.
Er stellte die Tüten auf den Gehsteig und öffnete die Beifahrertür, beugte sich zum Fahrersitz, tastete mit den Händen über den Boden, bis er ein Stück Eisen in seiner Hand spürte. Es war ein Revolver. Als er wieder aus dem Wagen hervor kroch, schaute Willem kurz nach links und nach rechts. Niemand war zu sehen. Er ließ die Waffe zwischen den Zeitungen verschwinden. Er schloss den Wagen wieder ab und öffnete die hinteren Ladetüren. Hinter den Werkzeugkästen standen die beiden Reisetaschen. Willem versuchte sie hervorzuziehen. Er merkte aber, dass sie zu schwer und unhandlich waren, um sie gemeinsam mit den Einkäufen hochzutragen. Er klemmte sich stattdessen ein fleckiges Sweat-Shirt und eine ebenso schmutzige Arbeitshose unter den Arm, verschloss den Wagen wieder und ging nach oben.
»Pia? Ich stell die Sachen hier ab. Ich muss noch mal runter, ich konnte nicht alles auf einmal schleppen.«
»In Ordnung.«
Wieder am Wagen, wühlte er in den
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