Sein Anteil
im Hyde Park zu verbringen.
Eine arabische Familie pilgerte zum Picknick in den Park, der Mann im weißen Burnus, seine Ehefrauen schwarz verhüllt, die Kinder westlich gekleidet. Am Zaun zum Kensington Palast boten Amateur-Maler kitschige Ansichten von London und grell-bunte Porträts von Prominenten an. Sie fanden offenbar Abnehmer. Denn sie standen hier jeden Sonntag.
Erst im Stau fiel Willem auf, dass das linke Bremslicht des Lieferwagens nicht funktionierte. Willem fuhr noch dichter auf, um keinen anderen zwischen sich und Pia zu lassen. Er musste höllisch aufpassen. Alles ging gut bis zur Biegung in Notting Hill. Einer dieser Idioten, die ständig die Spur wechseln, schnitt Pia. Und Pia musste voll in die Bremse treten. Ein Ruck, ein Knall, Willem war auf Pias Stoßstange geprallt. Er hupte, um ihr zu signalisieren, einfach weiter zu fahren. Groß dürfte der Schaden wegen der geringen Geschwindigkeit nicht sein, beruhigte sich Willem. Er dankte Gott, dass sein Hintermann nicht auf ihn aufgefahren war.
In der Holland Park Avenue lichtete sich der Verkehr. Pia hielt sich nun glücklicherweise an seine Instruktion, nicht zu schnell zu fahren. Der Kreisverkehr in Shepherd’s Bush war wiederum völlig verstopft. Sie kamen nur im Schritttempo voran. Pia schlängelte sich in die innerste Spur, Willem hinterher, womit er zorniges Hupen anderer Fahrer provozierte. Es war ihm egal. Noch einmal rechts, dann wieder scharf links, und sie waren in der Uxbridge Road. Pia bog wieder rechts ein, fuhr an Nikitas Haus vorbei.
Kein freier Parkplatz weit und breit! Pia fuhr zügig die Straße durch, bog wieder nach rechts, dann nach links. Endlich ein freier Platz. Pia manövrierte den Wagen gekonnt in die Lücke. Willem wartete direkt neben ihr. Sie knallte, ohne abzuschließen, die Fahrertür des weißen Lieferwagens zu und stieg in Willems Mercedes ein.
Sie hatten es geschafft.
»Meinst du, der Lieferwagen hat etwas bei dem Aufprall abbekommen?«, fragte Willem.
»Ich weiß nicht. Und wenn schon! Der Wagen hat so viele Beulen. Michail kümmert es nicht.«
Willem wollte zunächst Pia vorschlagen, noch irgendwo hinzufahren, vielleicht ins »Oriel«. Aber dann dachte er, dass es beiden anschließend noch schwerer fallen würde, in Pias Wohnung zurückzukehren, wo eine grausige Arbeit auf sie wartete.
16
Schweigend saßen Willem und Pia im Auto, beobachteten neidisch die Menschen, die in Parks, Kinos und Museen strömten, Vergnügungen nachgingen, an denen sie nicht teilhaben konnten. Sie hatten mit dem Leben, das sich um sie herum abspielte, nichts zu tun, waren aus den allgemeinen Abläufen herausgefallen. Sie waren gezwungen, in Pias Dachwohnung zurückzukehren wie Ausgestoßene auf eine abgelegene Insel. Pia schloss die Haustür auf, und das kalte Blau der Wände und steilen Stufen schlug Willem bedrohlich wie eine Welle entgegen.
Es half nichts. Er musste springen. Laut fiel hinter ihm die Tür zu. Das Bild von Nikitas gelbweißem Körper, der oben auf sie wartete, vergrößerte sich nach jeder Treppenbiegung vor seinen Augen, wurde deutlicher, bedrohlicher. Pia ging vor ihm. Plötzlich drängte sich Willem an ihr vorbei, nahm ihr im Vorbeigehen den Schlüssel aus der Hand und stürzte hinauf. Hastig öffnete er die Tür, stolperte über die beiden Stufen zwischen Küche und Wohnzimmer und riss den Vorgang auf.
Erst jetzt blieb er stehen, ganz außer Atem, machte dann einen Schritt nach vorn, schlug die Decke zurück. Nikitas Körper hatte große violette Flecken, vor allem auf dem Brustkorb, aber auch an den Händen und Füßen. Willem nahm auch das Kissen von Nikitas Gesicht. Er erschrak. Das Kissen war ganz feucht, getränkt mit Nikitas Speichel. Sein Mund war weit aufgerissen.
Willem wurde bewusst, wie sehr Nikitas großer starker Körper sich gewehrt haben musste. Den Bruchteil einer Sekunde spürte er das Verlangen, sich niederzuwerfen und den Leichnam anzubeten. Doch dann bemerkte er, wie Pia hinter ihm stand. Er drehte sich um und sah Verzweiflung in ihren Augen.
»Alles wird gut«, sagte Willem.
Er wollte jetzt nicht schwach werden. Er durfte es nicht. Wenn er es nicht aushalten könnte, würde Pia zusammenbrechen. Er führte Pia behutsam aus dem Schlafzimmer hinaus.
Willem suchte nach dem fleckigen Sweatshirt und der Arbeitshose, die er am Morgen aus dem weißen Lieferwagen genommen hatte. Er fand sie zusammengerollt in der Küche. Beides brachte er ins Schlafzimmer und legte es vor
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