Sein Anteil
denn? Mister Clarke? Das musst du mir erklären«, flüsterte sie ihm zu.
»Später, Pia.«
»Was darf ich Ihnen heute zeigen?«
Die Verkäuferin ließ sich durch Pias Kichern nicht irritieren.
»Wir suchen nach einer Reisetasche für meine Freundin«, sagte Willem.
»Darf ich Sie bitten, mir zu folgen.«
Die Verkäuferin zeigte ihnen ein breites Sortiment edler Lederwaren. Pia wollte sich gleich für eine gelbe Tasche entscheiden, die auch Willem gefiel, die er aber zu auffällig fand. Er überredete Pia, eine mittelbraune zu nehmen, die zwar weniger elegant war, aber dafür dezenter.
»Zahlen Sie wieder mit Karte, Mister Clarke?«
»Nein, ich zahle«, sagte Pia schnell, »und zwar bar.«
Sie zückte ein ganzes Bündel von Fünfzig-Pfund-Scheinen aus ihrer Hose.
»Wie Sie wünschen.«
Die Verkäuferin schien völlig ungerührt.
Pia stopfte ihre Einkäufe in das wohlriechende neue Gepäckstück, das Willem hinaustragen durfte. Erst im Taxi zu Willems Wohnung erzählte er Pia, was es mit diesem Mister Clarke auf sich hatte. Pia lachte schallend los.
Zwei Stunden später kamen Willem und Pia pünktlich an der Waterloo-Station an. Der Zug stand bereits abfahrbereit am Gleis. Pia trug ihren verbeulten Flugkoffer sowie die nagelneue Reisetasche in ihr Schlafwagenabteil und stieg wieder aus, um sich von Willem zu verabschieden.
»Pia, du kannst doch nicht die Tasche unbeaufsichtigt lassen!«
»Ach, es wird schon nichts passieren. Umarm mich mal!« Willem schlang seine Arme um sie und drückte sie fest an sich.
»Will, ich hoffe ich sehe dich bald wieder.« Er dachte daran, dass nur die Polizei zwischen ihnen ein baldiges Wiedersehen arrangieren könnte. Genau das hoffte er nicht.
»Bestimmt! Irgendwann, denke ich. Aber bitte ruf mich auf jeden Fall an, um mir zu sagen, wie ich dich in Spanien erreichen kann. Für den Fall des Falles. Du verstehst, was ich meine.«
Todesursache feststellen. Pia war weg und bald in Spanien. Sie könnte noch entkommen. Aber er? Er war noch in London, allein und verloren.
Willem stieg an der Station Gloucester Road aus. Er musste raus. Er konnte den Anblick des Mülls nicht eine Sekunde länger ertragen und auch nicht die einsamen Figuren, die ebenso versunken wie er in ihren Sitzen saßen. Er musste noch ein paar Schritte gehen, bevor er sich wieder in die freiwillige Gefangenschaft seines Appartements begab.
Nervös zündete er sich eine Zigarette an. Nikitas Körper war also unversehrt, zumindest nicht schlimmer zugerichtet als vor seinem Tod. Pia und er hätten ihn ebenso gut auf einen Parkplatz oder in einen Straßengraben werfen können. Die lange Nachtfahrt durch den Londoner Süden war sinnlos gewesen.
Willem versuchte gegen die aufsteigende Depression anzukämpfen. Wie gefährlich war die Lage wirklich? Wer könnte »sachdienliche Hinweise« geben, die die Polizei auf seine Spur setzten? Er dachte an jenen Sonntag zurück, als er Nikita besucht hatte und an dem sich in Nikitas Küche das Panoptikum seiner Freunde versammelt hatte. Jeden einzelnen ging Willem in Gedanken durch.
Patrick, der rothaarige Ire, würde den Teufel tun, und sich bei der Polizei melden. »Hallo, ich bin ein IRA-Sympathisant und habe übrigens dem Toten einen Revolver zugesteckt?« Nein, auch wenn dieser Patrick wahrscheinlich Willem genauso verabscheute wie er ihn, würde er seinen Mund halten.
Cathy, diese fette Amerikanerin, würde sich höchstens bei der Polizei beschweren, dass es Nikita nicht mit ihr »getrieben« hatte, wie Pia sagen würde. Den kleinen Pizzabäcker, dachte Willem, könnte er getrost vergessen. Der war nur daran interessiert, auf welcher Party er das nächste Dosenbier umsonst bekam.
Und Michail? Er schien wirklich ein Freund Nikitas zu sein. Doch allein wegen seiner krummen Geschäfte mit Nikita machte er sicherlich um jeden Polizisten einen großen Bogen, dem er auf der Straße begegnete. Eine echte Gefahr wäre Michail nur dann, wenn ihn sich die Polizei von sich aus vorknöpfte, etwa im Zusammenhang mit dem weißen Lieferwagen. Aber selbst dann könnte Michail – und das sogar zu Recht – behaupten, er habe nichts mit der Entführung zu tun.
Willems Kopf war ganz heiß. Er zündete sich die nächste Zigarette an, schmiss sie nach einem Zug wieder weg. Er hasste die Vorstellung, jetzt in sein Zimmer zurückkehren zu müssen. Die Nacht allein in einem Hotel zu verbringen, wäre aber auch nicht besser, sagte er sich. Es war ihm eine Qual, die Tür
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