Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein Anteil

Sein Anteil

Titel: Sein Anteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Wuchold
Vom Netzwerk:
drin?«
    »Nein, nichts«, sagte Willem zufrieden.
    »Dann kann ich mich ja duschen. Mir wird das Wasser hier allmählich zu kalt«, sagte Pia und hüpfte aus der Wanne. »Was hast du heute vor, Will?«
    »Nichts.«
    »Willst du mich begleiten? Ich gehe einkaufen und besorge mir ein Zugticket. Morgen will ich nach Spanien. Wenn es möglich ist, fahre ich schon heute Abend.«
    »Gut«, sagte Willem und hoffte, seine Enttäuschung war Pia verborgen geblieben.
     
     
    Pia bestand darauf, die Hotelrechnung aus ihrem Anteil zu bezahlen. Sie tat es mit übertriebener Lässigkeit, als wollte sie Willem imponieren.
    Zum Schluss fischte sie aus ihrer Hosentasche eine weitere Fünfzig-Pfund-Note, knallte sie mit der flachen Hand auf das Pult und sagte laut: »Fürs Personal!«
    Dem verdutzten Angestellten hinter der Rezeption blieb nichts anderes übrig, als Pia vielmals zu danken und hinterher zu rufen: »Beehren Sie uns bald wieder.«
    Willem fand Pias Auftritt eher amüsant als peinlich, für den vermutlich einer ihrer »Gäste« Vorbild gestanden hatte. Er verlor kein Wort darüber. Letztlich war ihm egal, wie Pia sich anderen Menschen gegenüber verhielt.
    Auf der Straße drehte sich Willem um und las »The Portobello Hotel«. Er würde sich das Hotel merken. Erst jetzt wurde ihm wirklich bewusst, wo sie eigentlich waren, in einer gepflegten Seitenstraße von Ladbroke Grove, im besseren, dem Holland Park zugewandten Teil von Notting Hill. Die Hewitts – also Anne-Marie und ihre Tochter – wohnten knapp zehn Minuten von hier.
    Sie fuhren zuerst zu Willem, stellten in seinem kleinen Appartement die Taschen ab und ließen auch den Wagen zurück, bevor sie sich erneut auf den Weg machten.
    In einem Reisebüro an der U-Bahn-Station Earl’s Court erstand Pia eine Zugfahrkarte nach Barcelona – Abfahrtzeit zwanzig Uhr einunddreißig von Waterloo, also noch an diesem Abend. Der Grund, warum sie nicht flog, war einleuchtend. Sie wollte eine Gepäckkontrolle am Flughafen vermeiden, bei der ihre fünfhunderttausend Pfund minus Hotelrechnung bei den Beamten mehr als nur neugieriges Interesse erwecken könnten. Im Zug war dagegen die Gefahr einer genauen Prüfung ihres Gepäcks äußerst unwahrscheinlich. Als die Frau im Reisebüro sie fragte, warum sie nicht fliege, spielte Pia die Verlegene.
    »Flugangst.«
    »Oh, Sie Arme!«, war die gewünschte Reaktion.
    Pia wollte sich neue Klamotten kaufen, wie sie Willem sagte. Und er sollte sie beraten. Willem empfahl, in Knightsbridge auszusteigen, um sich bei »Harvey Nichols« umzuschauen. Über fünf Etagen breiteten namhafte Designer ihre Kollektionen vor der kauffreudigen, meist weiblichen Kundschaft aus. Überall standen reizende Verkäuferinnen parat, die Willem nicht selten ebenso attraktiv fand wie deren Kundinnen.
    Er überredete Pia, eine zartblau-weiß karierte Bluse anzuprobieren, eine ganz ähnliche, wie sie Anne-Marie getragen hatte, als sie für Willem noch die Sphinx war. Die Bluse war hochgeschlossen mit einem kleinen abgerundeten Kragen und leicht tailliert. Hatte sie Anne-Marie damals trotz ihrer Schlichtheit geradezu elegant erscheinen lassen, wirkte sie bei Pia plump, beinahe bäuerlich. Ihre Taille und ihre Schultern schienen zu breit, ihr Hals zu kurz, ihr Teint zu blass.
    Pia sah ganz unglücklich aus, zog die Bluse schnell wieder aus, wollte auch nichts anderes anprobieren, da sie sich, wie Willem ihr ansah, bei »Harvey Nichols« einfach deplaziert fühlte. Pia bestand darauf, zur Oxford Street zu fahren.
    Dort stürzte sie sich in einen wahren Kaufrausch. Willem trottete gelangweilt hinter ihr her, während Pia von »H & M« zu »Max Mara« und anschließend durch mehrere Jeansläden rannte, und überall schwer bepackt mit Mini-Röcken, Tops und T-Shirts in den knalligsten Farben herauskam. Pia war selig.
    Bepackt mit tausend Tüten, von denen sie nicht eine Willem überlassen wollte, brüllte sie ein Taxi herbei.
    »Jetzt lade ich dich zum Essen ein.«
    Willem leistete keinen Widerstand.
    »Ins ›Quaglino’s‹ in der Bury Street, aber schnell, bitte«, befahl Pia dem Fahrer und sagte zu Willem: »Ich habe tierischen Hunger.«
    Das »Quaglino’s« war eines jener postmodernen Restaurants, die in den letzten Jahren in London wie Pilze aus dem Boden schossen. Ihr unterkühlter Schick zog vor allem junge Aufsteiger an, die hier ihren raschen Wohlstand sich selbst und ihresgleichen vorführten. Die Anordnung fast unzähliger kleiner eckiger Tische, an denen

Weitere Kostenlose Bücher