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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Marie hatte gesagt, dass Jim bestimmt Sicherheitskopien seiner Arbeitsnotizen aufbewahrt hatte. Er hätte nie im Leben alle seinen Daten ausschließlich Disketten anvertraut. Er fragte sich, ob vielleicht auch Marie irgendwo einen zweiten Satz Disketten hinterlegt hatte – vielleicht bei einem Kollegen oder einer Kollegin. Würde jemand anders ihre Fackel weitertragen? An einem sicheren Ort, hatte sie gesagt: vielleicht in der Wohnung eines Freundes oder in einem Bankschließfach. Reeve wendete und fuhr zurück zu Pete Cavendishs Wohnung. Cavendish traute seinen Augen nicht.
    »Das ist ein Albtraum«, sagte er. »Ich hatte Ihnen doch gesagt, Sie sollten den Schlüssel durch den Briefschlitz werfen!«
    »Hab ich auch«, sagte Reeve und zeigte auf den Fußboden, wo der Schlüssel lag.
    »Was gibt’s denn noch?«
    »Es ist nur – mein Bruder hat Ihnen sein Auto anvertraut. Jetzt frage ich mich, ob er Ihnen nicht noch etwas Anderes zum Aufbewahren gegeben hat.«
    »Nämlich?«
    »Ich weiß auch nicht. Akten, eine Mappe, Papiere...?«
    Cavendish schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht hat er Ihnen eingeschärft, keinem was zu sagen, Pete, aber er ist tot, und ich bin sein Bruder...«
    »Er hat mir gar nichts gegeben, okay?«
    Reeve starrte Cavendish in die Augen und glaubte ihm. »Okay, Verzeihung«, sagte er und wandte sich wieder zur Straße.
    »Hey!«, schrie ihm Cavendish hinterher.
    Reeve drehte sich um. »Was?«
    »Wie läuft der Motor?«
    Reeve warf einen Blick auf den vor sich hinsummenden Saab. »Wie eine Eins«, sagte er und fragte sich, wie bald er die Karre wohl stehen lassen konnte.
     
    Tommy Halliday wohnte in Wales, weil er meinte, die Luft und das Trinkwasser seien dort besser; aber für die Waliser hatte er nicht viel übrig, deswegen wohnte er so nah an der englischen Grenze, wie es nur ging, ohne sich dabei zu weit vom nächsten komischen Ortsnamen zu entfernen. Halliday wohnte in Penycae; der komische Ortsname war Rhosllannerchrugog. Auf der Landkarte machte er sich wie ein sehr unglücklich gezogener Schwung Scrabble-Steine aus – nur dass es viel zu viele Buchstaben waren.
    »Kann man auf der Landkarte gar nicht übersehen«, hatte Halliday zu Reeve gesagt, als dieser ihn zum ersten Mal hatte besuchen wollen. »Die schreiben Rhosllannerchrugog immer mit schönen fetten Großbuchstaben, nur damit man sieht, was die Waliser für dumme Arschlöcher sind. Tatsächlich sagt jeder hier in der Gegend einfach Rhos dazu.«
    »Was bedeutet es?«, hatte Reeve gefragt.
    »Was?«
    »Das Wort muss doch irgendwas bedeuten.«
    »Es ist eine Warnung«, hatte Halliday gesagt. »Es bedeutet: Die Engländer kommen!«
    Halliday hatte nicht ganz Unrecht. Penycae lag in der Nähe von Wrexham, aber auch in Pendlerentfernung von englischen Städten wie Chester, Liverpool, ja selbst Stokeon-Trent. Die Folge war, dass sich immer mehr Engländer dort ansiedelten, um Schmutz und Kriminalität hinter sich zu lassen – und manchmal auch mitzubringen.
    Halliday hatte lediglich dreierlei nach Penycae mitgebracht: seine Drogengeschäfte, seine Videosammlung und seine Nachschlagewerke. Halliday hasste Filme, war aber süchtig nach ihnen. Um genau zu sein, war er nicht so sehr nach den Filmen selbst süchtig als nach Film kritiken und -kritikern. Barry Norman war der Gott dieser seltsamen Religion, aber direkt unter ihm gab es etliche Hohepriester: Maltin, Ebert, Kael und die Magazine Empire , Premiere und Sight and Sound . Reeve fand es ziemlich merkwürdig dass Halliday nie ins Kino ging. Er mochte es nicht, zusammen mit wildfremden Leuten zwei Stunden lang im Dunkeln zu sitzen. Stattdessen kaufte er Videos oder lieh sie sich aus. In seinem Wohnzimmer standen wahrscheinlich sechs- bis siebenhundert Stück davon herum, und etliche weitere in den anderen Zimmern seiner Doppelhaushälfte.
    Halliday sah sich Filme nicht zum Vergnügen an. Er rang mit dem Medium Film, so wie ein Student sich an einem philosophischen Problem die Zähne ausbeißen mag. Halliday schien das Gefühl zu haben, dass er, wenn er es geschafft hätte, Filme zu verstehen – nachzuvollziehen, inwiefern manche gut, manche schlecht, einige wenige geniale Meisterwerke waren -, ein zentrales Problem gelöst, etwas erreicht hätte, das sein Leben für immer zum Besseren wenden würde. Als Reeve bei ihm ankam, war Halliday ganz kribbelig. Er hatte gerade in einem alten Guardian einen Artikel von Derek Malcolm gefunden, der sich mit Tarantinos Pulp Fiction

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