Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
gekommen; ebenso war jede Menge irakisches Gerät still und leise eingesackt worden zwecks Weiterverkaufs in Großbritannien.
Die meisten Waffen, mit denen Tommy handelte, stammten allerdings aus dem Ostblock: vor allem Russland und Tschechien. Eine Zeitlang hatte er einen Posten aus China auf Lager gehabt, aber er konnte es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, das unzuverlässige Zeug zu verkaufen.
Halliday warf einen Blick auf seine Uhr. »Warte, bis der Film zu Ende ist, okay?«
»Ich hab alle Zeit der Welt, Tommy«, sagte Reeve. Das stimmte zwar nicht, aber er stellte fest, dass er die Zeit, die er im Wohnzimmer verbrachte, durchaus sinnvoll einsetzen konnte. Er leerte sein Bewusstsein und entspannte seine Muskeln, meditierte ein bisschen und führte ein paar Atemübungen durch, die Joan ihm beigebracht hatte. Er sammelte sich. Und als er damit fertig war, hatte er noch immer eine halbe Stunde bis zum Ende des Films.
»Was dagegen, wenn ich die Geräte benutze?«, fragte er.
»Du weißt, wo sie stehen.«
Also ging Reeve nach oben in das Gästezimmer, in dem Tommy seine Hanteln und ein paar Trainingsgeräte aufbewahrte. Er brachte sich ordentlich ins Schwitzen. Schwitzen war der schnellste Weg, Toxine aus dem Organismus zu bekommen – wenn man nicht gerade in der Stimmung war, sich zwei Finger in den Hals zu stecken. Von nun an würde er bei sich andere Saiten aufziehen: Bewegung, wann immer möglich, und gesunde Ernährung. Körper und Geist rein halten. Jay hatte sich wahrscheinlich fit gehalten. Den Typen in Orly hatte er in einem Fitnessklub rekrutiert: bestimmt kein Zufall. Wahrscheinlich frequentierte er mehrere solcher Klubs. Reeve musste sich so gut wie möglich vorbereiten. Er spielte mit dem Gedanken, Steroide zu nehmen, verwarf ihn aber rasch: Die Wirkung war kurzfristig, die Nebenwirkungen lang anhaltend. Wenn es um Fitness ging, gab es keine schnellen Lösungen. Reeve wusste, dass er ziemlich gut in Form war; das häusliche Leben hatte ihn nicht völlig verdorben, es hatte ihm lediglich ein bisschen Willenskraft genommen.
Joan – er musste unbedingt Joan anrufen. Als er wieder nach unten kam, war der Film zu Ende und Halliday saß am Computer. Der Rechner war ein neues Modell und hatte ein CD-ROM-Laufwerk. Halliday hatte irgendein Film-Lexikon eingelegt und Hexenkessel aufgerufen.
»Schau dir das an«, sagte er und zeigte aufgeregt auf den Bildschirm. »Maltin gibt ihm vier Sterne: ›ein Meisterwerk‹; Ebert gibt ihm vier, Baseline gibt vier von fünf. Sogar Pauline Kael, die Froschfotze, mag den Streifen.«
»Und?«
»Und das ist ein Film, der von zwei Arschlöchern handelt, der eine nicht ganz so dämlich wie der andere, aber beide eindeutig von Anfang an im Arsch. Und das soll großes Kino sein?«
»Wie fandest du De Niro?«
»Er hat genauso gespielt, wie er solche Rollen immer spielt: mit viel Augenrollen und seinem schwachsinnigen Dauergrinsen.«
»Du glaubst, er ist im wirklichen Leben auch so?«
»Was?«
»Was glaubst du, was für einen Background er hat?«
Halliday begriff nicht, worauf Reeve hinauswollte, aber er lernte immer gern was dazu. »Kleinganove, Angehöriger einer Streetgang in Brooklyn oder sonst wo, so wie Scorsese.« Kurze Pause. »Hab ich’s getroffen?«
Reeve schüttelte den Kopf. »Schlag mal De Niro nach.«
Halliday klickte den Namen des Schauspielers an. Es erschienen eine Kurzbio und ein Foto.
»Siehst du?«, sagte Reeve und zeigte auf die entsprechende Zeile. »Seine Eltern waren Künstler, Maler. Sein Vater war ein abstrakter Expressionist. Das ist kein Straßenjunge, Tommy. Das ist ein Junge aus anständigem Hause, der Schauspieler werden wollte.«
»Und?«
»Und er hat dich dazu gebracht, ihm seine Figur abzukaufen. Du hast von seiner Herkunft, seiner persönlichen Vorgeschichte, überhaupt nichts mitbekommen; das liegt daran, dass er sie völlig zurückgenommen hat. Er ist zu seiner Rolle geworden . Das ist das Wesen der Schauspielerei.« Reeve musterte ihn, um abzuschätzen, ob er irgendetwas davon kapiert hatte. »Darf ich mal eben telefonieren?«
Halliday schlenkerte einen Arm in Richtung Fensterbank.
»Danke.«
Reeve ging zum Fenster.
»Du kennst dich also mit Kino aus, hm?«, rief ihm Halliday hinterher.
»Nein, Tommy, aber du kannst einen darauf lassen, dass ich mich mit Schauspielerei auskenne.« Er nahm den Hörer ab und wählte die Nummer von Joans Schwester. Während er darauf wartete, dass jemand abnahm, zog er die Vorhänge
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