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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Sicherheitsvorkehrungen auf Allerdyce’ Anwesen war nicht etwa Angst vor Mördern oder Entführern, ja nicht einmal schlichte Paranoia, sondern die Tatsache, dass Allerdyce dort seine Geheimnisse aufbewahrte – seine Akten über die Stützen der Gesellschaft, Informationen, die ihm eines Tages von Nutzen sein könnten. Es gab Gefälligkeiten, die er jederzeit einfordern konnte; er hatte Videos und Fotos, die Politiker und Richter und Chefredakteure ruinieren konnten. Er hatte Tonaufzeichnungen, Abschriften, hingekritzelte Notizen, ganze Stöße von Zeitungsausschnitten und weitere, privatere Daten: Kopien von Bankauszügen und geplatzten Schecks, Kreditkartenabrechnungen, Motelmeldekarten, detaillierte Telefonrechnungen, Polizeiberichte, ärztliche Untersuchungsergebnisse, richterliche Überprüfungen … Dann gab es noch die zwar nicht gesicherten, aber möglichen Fakten, ebenso sorgfältig abgeheftet wie alles Übrige: Gerüchte um Affären, homosexuelle Orgien, Kokainkonsum, Messerstechereien, gefälschte Beweise, unterschlagene Beweise, unterschlagene Gelder, Nummernkonten auf karibischen Inseln, Verbindungen zur Mafia, Verbindungen nach Kuba, Verbindungen nach Kolumbien, falsche Verbindungen …
    Allerdyce hatte Kontakt zu den höchsten Stellen. Er kannte Beamte von FBI, CIA und NSA, er kannte Agenten des Secret Service, er kannte ein paar einflussreiche Leute im Pentagon. Der eine machte ihn mit dem nächsten bekannt, und sein Beziehungsnetz wuchs stetig weiter. Sie alle wussten, dass sie sich, wenn sie einen Gefallen brauchten, an ihn wenden konnten, und wenn der Gefallen in etwa darin bestand, eine Affäre oder irgendeinen schmierigen, schmutzigen Schlamassel, in den sie hineingeraten waren, zu vertuschen – dann verschaffte das Allerdyce genau den Einfluss, auf den er aus war. Das kam dann alles in sein »Gefälligkeitenbuch«. Und sein Fundus an Informationen wuchs und wuchs. Schon jetzt besaß er mehr Informationen, als er gebrauchen konnte, mehr als er in seinem ganzen Leben hätte verwerten können. Er hatte keine Ahnung, was mit seinem ungeheuren (und ständig weiterwachsenden) Vorrat an Informationen nach seinem Tod geschehen sollte. Sollte er ihn vorher verbrennen? Das kam ihm wie eine Vergeudung vor. Ihn vermachen? Ja – aber wem? Der wahrscheinlichste Kandidat schien noch sein Nachfolger bei Alliance zu sein. Schließlich würde die Organisation von einem solchen Fundus an Informationen nur profitieren. Doch Allerdyce hatte keinen bestimmten Nachfolger im Sinn. Seine Untergebenen waren nichts anderes als das – Untergebene; die Seniorpartner behäbige angehende Senioren. Es gab zwei Juniorpartner, die einen lobenswerten Hunger bewiesen, aber keiner von beiden schien der Richtige zu sein. Vielleicht hätte er rechtzeitig daran denken sollen, ein paar Kinder zu zeugen …
    Er saß im kleineren der zwei Esszimmer und starrte, während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, auf das Porträt seines Großvaters, den er als bösartigen alten Mistkerl und Geizkragen obendrein in Erinnerung hatte. Gene: Manche bekam man vererbt, andere nicht. Die Köchin, eine gemütliche Frau, brachte ihm seine Vorspeise, die aussah wie ein halbes Hamburgerbrötchen, mit Lachs und Krabben belegt und mit einem Klacks Majonnaise bekrönt. Allerdyce hatte gerade seine Gabel in die Hand genommen, als das Telefon klingelte. Seine Privatnummer war vielleicht zwei Dutzend Leuten bekannt. Die Nummer seiner Stadtwohnung kannten deutlich mehr Leute, und morgens und abends hörte er den Anrufbeantworter ab, um gegebenenfalls zurückzurufen. Er legte seine Serviette auf die blankpolierte Nussholzplatte des Esstisches und ging zum kleinen Sekretär – französisch, 17. Jahrhundert, wie man ihm versichert hatte -, auf dem das Telefon stand.
    »Ja«, sagte er.
    Es entstand eine kurze Pause. Er hörte Rauschen und Echos in der Leitung, ein fernes gespenstisches Raunen, und dann eine viel klarere Stimme.
    »Sir, Dulwater hier.«
    »Mh-hm.«
    »Ich dachte, ich informiere Sie über den Stand der Dinge.«
    »Ja?«
    »Schön, also, ich habe das Haus beobachtet, aber es hat sich niemand blicken lassen. Also habe ich beschlossen, mich drinnen ein bisschen umzusehen.«
    Allerdyce lächelte. Dulwater war ein sehr brauchbarer Einbrecher, das hatte er in der Vergangenheit wiederholt bewiesen. Allerdyce war neugierig, was er in Gordon Reeves Haus gefunden haben mochte. »Ja?«, wiederholte er.
    »Sieht so aus, als wären sie vorübergehend

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