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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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mit flachen Tälern dazwischen. Er sparte es sich, seine Schritte zu zählen, lief immer nur weiter, Kilometer um Kilometer vom Fluss weg. Er wusste, dass er zu Fuß kein Fahrzeug abhängen konnte; aber dieses schon für Menschen schwierige Gelände war für praktisch jedes Fahrzeug geradezu unpassierbar. Kein Jeep hätte die Steigungen bewältigen können, und ein Motorrad wäre auf dem losen Geröll sofort ins Schleudern geraten. Ein Hubschrauber war für den Feind vermutlich noch die beste Option, und die hatte sich fürs Erste wahrscheinlich erledigt. Aus dieser Tatsache schöpfte er neue Kraft.
    Er stieg wieder bergan und versuchte dabei, nicht an seine schmerzenden Hände zu denken, überwand den Grat, rutschte dann auf der anderen Seite hinunter. Am Fuß des Hangs rappelte er sich wieder auf und lief drei Schritte weiter.
    Dann blieb er abrupt stehen.
    Sehen konnte er eigentlich nichts, aber irgendein sechster Sinn hatte ihm befohlen, stehen zu bleiben. Er wusste, warum: Es war gerade das Nichts, das ihn gewarnt hatte. Er konnte den Boden vor sich nicht sehen, nicht einmal zwei Meter weit. Er schlurfte vorsichtig vorwärts, tastete den Boden mit den Füßen ab, bis er plötzlich ins Leere trat.
    »Herrgott!«
    Er zog sich zwei Schritte zurück, kniete sich hin und spähte, auf die Hände gestützt, ins Dunkel. Er stand am Rand einer Rinne. Nein... es war mehr als nur eine Rinne: Eine senkrechte Wand fiel wer weiß wie tief hinab. Eine Schlucht, ein tiefer Abgrund. Selbst angenommen, er hätte bis zur Sohle hinunterklettern können, hatte er keine Ahnung, ob er imstande sein würde, die jenseitige Wand wieder hochzuklettern. Es war durchaus möglich, dass er dann in der Falle gesessen hätte. Er würde das Hindernis umgehen müssen, aber das konnte ohne weiteres Stunden erfordern. Verdammt! Er versuchte, irgendetwas zu sehen, irgendetwas da unten zu erkennen, das ihm verraten hätte, was ihn erwartete. Er schnallte das Nachtsichtgerät von seinem Koppel los und hielt es sich an die Augen. Die Reichweite des Geräts war begrenzt, aber er meinte, auf dem Grund der Schlucht etwas ausmachen zu können, wahrscheinlich irgendwelche Felszacken oder -blöcke. Der Hang war ziemlich steil und flachte erst zur Sohle hin etwas ab. Bei Tageslicht, ohne Hetze, hätte er wahrscheinlich genügend Halt für Hände und Füße finden können, um auf der anderen Seite wieder herausklettern zu können. Aber in völliger Dunkelheit und mit dem Feind auf den Fersen …
    Er nahm das Nachtsichtgerät von den Augen und sah sich wieder mit der Schwärze der Schlucht konfrontiert. Sie schien ihn zu verspotten. Jeder, egal wie gut er ist, braucht Glück, schien sie zu sagen. Und deins ist jetzt aufgebraucht.
    »Scheiß drauf«, sagte er, ließ den Karabinerhaken des Sichtgerätes wieder am Koppel einschnappen und stand auf. Seine Beinmuskeln protestierten. Er musste sich schnell entscheiden, und das aus allen möglichen Gründen. Sich nach links oder nach rechts wenden? Rechts, und er hätte ungefähr Jays Richtung eingeschlagen; links, und er hätte die Küste erreichen können. Was war richtig? Er kniff die Augen zu und konzentrierte sich. Nein: Wenn er sich nach rechts wandte, würde er vielleicht die Küste erreichen. Er musste nach rechts.
    Er lief jetzt langsamer, dicht am Rand des Abgrunds, so dass er merken würde, falls und wann er endete. Das Problem war nur, dass er, so nah an der Kante, nicht wagte, sein Tempo zu beschleunigen. Ein falscher Tritt, und es wäre aus gewesen. Das Terrain war auch so gefährlich genug. Er erinnerte sich an die Piste und die Geröllhalde und die Felsbrocken auf der Sohle des Abgrunds... Es war doch ein Steinbruch! Jetzt ergab die Landschaft auf einmal einen Sinn. Und wenn er mit seiner Vermutung Recht hatte, dann konnte er ohne allzu große Schwierigkeiten einen Bogen um den Abgrund machen. So groß waren Steinbrüche schließlich nicht. Er konnte vielleicht sogar mögliche Verstecke finden oder, als letzte Lösung, ein Fahrzeug, das er stehlen könnte.
    Er hörte Stimmen vor sich und blieb wieder stehen, schnallte das Nachtsichtgerät los. Eine zweiköpfige Patrouille. Irgendwie hatten sie es geschafft, ihn zu überholen, was ganz und gar nicht gut war. Jetzt konnten zwischen ihm und der Küstenstraße jede Menge von ihnen unterwegs sein. Der eine Mann hatte dem anderen zugerufen, er würde stehen bleiben, um zu pinkeln. Der andere ging weiter. Beide kehrten Reeve den Rücken zu. Er ging, lautlos,

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