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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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Kaffee auf und starrte das Telefon eine weitere Viertelstunde lang an. Wenn Vincent zu Hause war und die Nachricht mitgehört hatte, hätte er sich – selbst wenn er zuerst überprüfen wollte, dass James Reeve wirklich einen Bruder gehabt hatte – inzwischen zurückgemeldet.
    Also rief Reeve bei Fliss’ Zeitung an, sprach mit Giles Gullivers Assistentin und wurde schließlich mit dem Chefredakteur verbunden.
    »Gütiger Herrgott«, sagte Gulliver. »Das kann ich gar nicht glauben. Ist das ein schlechter Witz?«
    »Kein Witz, Mr. Gulliver. Jim ist tot.«
    »Aber wie ist er gestorben? Wann?«
    Reeve fing an, es ihm zu erzählen, aber Gulliver unterbrach ihn. »Nein, warten Sie – wir sollten uns besser treffen. Wäre das möglich, Mr. Reeve?«
    »Ja, sicher.«
    »Ich müsste nur einen Blick in meinen Terminkalender werfen …« Reeve wurde auf die Warteschleife gesetzt und konnte da bis sechzig zählen. »Entschuldigen Sie. Wir könnten uns um zwölf auf einen Drink treffen. Ich habe eine Verabredung zum Lunch um eins, es wäre also am sinnvollsten, wenn wir uns im Hotel treffen könnten. Wäre Ihnen das recht? Ich will die ganze Geschichte hören. Es ist ganz entsetzlich. Ich fasse es nicht. Jim war einer unserer …«
    »Um welches Hotel geht es, Mr. Gulliver?«
    »Entschuldigung. Das Ritz. Wir sehen uns dort um zwölf.«
    »Bis dann, Mr. Gulliver.«
    Und Joshua Vincent rief und rief nicht zurück.
     
    In Jims Notizen war Giles Gulliver immer als »der alte Knabe« oder »der Alte« aufgetaucht. Reeve erwartete einen Mann in den Sechzigern, vielleicht sogar in den Siebzigern, einen Zeitungsmann der alten Schule. Doch als er in der Ritz-Bar an Gullivers Tisch geführt wurde, sah er, dass der Mann, der halb aufstand, um ihn, hinter einer dicken kubanischen Zigarre verschanzt, zu begrüßen, erst Anfang vierzig sein musste – nicht viel älter als Reeve selbst. Gullivers Bewegungen jedoch waren langsam und gemessen, wie die eines viel älteren Mannes, eines Mannes, der alles gesehen hat, was das Leben zu bieten hat. Dennoch hatte er funkelnde Augen, die Augen eines Kindes, dem etwas Wunderbares gezeigt wird. Und sofort sah Reeve, dass die Bezeichnung »alter Knabe« perfekt auf Giles Gulliver passte. Er war ein Peter Pan in Nadelstreifenanzug.
    »Ein guter Mann«, sagte Gulliver, während er Reeve die Hand schüttelte. Als er sich wieder setzte, fuhr er sich mit den Fingern durch das glattgegelte Haar. Sie hatten einen Ecktisch, weitab von der Geräuschkulisse des Tresens. Auf dem Tisch befanden sich vier Dinge: ein Aschenbecher, ein Mobiltelefon, ein tragbares Faxgerät und ein Glas Whisky on the Rocks.
    Gulliver rollte seine Zigarre zwischen den Lippen herum. »Was zu trinken?« Der Kellner stand bereit.
    »Mineralwasser«, sagte Reeve.
    »Mit Eis und Limette, Sir?«
    »Zitrone«, sagte Reeve. Der Kellner zog sich zurück, und Reeve wartete darauf, dass Gulliver etwas sagte.
    Gulliver schüttelte den Kopf. »Scheußliche Angelegenheit. Wundert mich, dass ich nicht eher davon erfahren habe. Ich hab einen Redakteur auf den Nachruf angesetzt.« Er verstummte abrupt. »Verzeihung, tut mir entsetzlich leid. Das wollen Sie jetzt bestimmt nicht hören.«
    »Ist schon okay.«
    »Jetzt erzählen Sie, wie ist Jim gestorben?«
    »Er wurde ermordet.«
    Gullivers Augen waren hinter der Wolke von Rauch, die er gerade ausgeatmet hatte, nicht zu sehen. »Was?«
    »Das ist meine Theorie.«
    Gulliver entspannte sich: Er hatte es mit einer Theorie zu tun, nicht mit einer Story.
    Reeve erzählte ihm noch einiges, aber keineswegs alles. Er war sich seiner Sache nicht sicher. Einerseits wollte er, dass die Öffentlichkeit erfuhr, was in San Diego passiert war. Andererseits wusste er nicht, wessen Leben er möglicherweise in Gefahr bringen würde, wenn er wirklich an die Öffentlichkeit ginge – insbesondere wenn er es ohne irgendwelche Beweise täte. Beweise würden seine Rückversicherung sein. Er brauchte Beweise.
    »Wussten Sie, dass Jim nach San Diego wollte?«, fragte Reeve.
    Gulliver nickte. »Er wollte dreitausend Dollar von mir haben. Meinte, der Trip wäre das Geld wert.«
    »Hat er Ihnen gesagt, weswegen?«
    Gullivers Mobiltelefon trillerte. Er entschuldigte sich wortlos mit einem Lächeln und nahm ab. Das Gespräch – die eine Hälfte, die Reeve mitbekam – war technischer Natur und betraf die morgige Ausgabe.
    Gulliver legte auf. »Verzeihung.« Er warf einen Blick auf seine Uhr. »Ob mir Jim gesagt hat, weswegen er

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