Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
schlug sie bei einem ganzseitigen Inserat von Co-World Chemicals auf. »Lesen können Sie sich sparen«, sagte sie, »Sie würden davon ja doch nur einschlafen. Das ist eine von diesen Kuschel-Anzeigen, die große Unternehmen in Auftrag geben, wenn sie ein bisschen Geld auf den Kopf hauen wollen.«
Reeve warf einen Blick auf die Anzeige. »Oder wenn ihr Gewissen sie plagt?«
Fliss zog die Nase kraus. »Werden Sie erwachsen! Diese Leute haben überhaupt kein Gewissen. Die haben es sich rausoperieren lassen, um Platz für Cashflow-Implantate zu schaffen.« Sie klopfte mit dem Finger auf die Anzeige. »Aber solange Co-World und ähnliche Unternehmen fette Inserate schalten, lieben Zeitungsverleger sie und achten darauf, dass ihre Chefredakteure nichts drucken, was Sugardaddy verärgern könnte. Mehr will ich damit nicht sagen.«
»Danke für die Warnung.«
Sie zuckte die Achseln. »Sind Sie heute Abend hier?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Ich muss sehen, wie es läuft.«
»Tja, bei mir wird es wahrscheinlich spät. In Covent Garden macht ein zweiter Giannini’s auf, und ich bin eingeladen.«
»Giannini?«
»Der Hairstylist.«
»Haltet die Titelseite frei!«, sagte er. Sie guckte ihn böse an, und er hob beschwichtigend die Hände. »Sollte nur ein Witz sein.«
»Ich will wissen, was Sie herausfinden, egal, was es ist. Und wenn auch nur telefonisch aus Schottland – halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Klar, das ist das Mindeste, was ich tun kann.«
Sie verließ die Küche, und als sie zurückkam, hatte sie ihren Mantel angezogen und trug eine Aktentasche in der Hand. Sie zupfte den Gürtel des Mantels umständlich zurecht. »Da wär nur noch eine Sache, Gordon.«
»Und zwar?«
»Wie haben Sie sich das mit der Wohnung gedacht?«
Er lächelte sie an. »Die gehört Ihnen, solange Sie sie haben wollen.«
Jetzt sah sie ihn endlich an. »Wirklich?« Er nickte. »Danke.«
Vielleicht hatte er ja seinen Plan B gefunden. Wenn er mit Jims Story nicht weiterkam, konnte er immer noch Fliss’ Ex-Lover aufspüren und ihm den Rest des Lebens zur Hölle machen. Sie kam näher und gab ihm ein Küsschen auf die Wange.
Was eine hinlängliche Entlohnung darstellte.
Er fand die Telefonnummer der NFU; aber niemand konnte ihm dort Joshua Vincents Adresse sagen. Eine hilfsbereite Frau verband ihn schließlich mit jemandem, der mehr Fragen als Antworten auf Lager hatte und wissen wollte, wer er war und worin seine Beziehung zu Mr. Vincent bestand.
Reeve legte auf.
Vielleicht wohnte Vincent ja in London, aber im Telefonbuch standen eine ganze Reihe »Vincent, J«. Es hätte einige Zeit erfordert, sie alle anzurufen. Er nahm sich wieder Jims Notizen vor. Sie waren ein Mischmasch aus detaillierten Angaben und Geschwätz, journalistischem Instinkt und alkoholisierten Spinnereien. Auf der Rückseite einiger der bedruckten Seiten standen irgendwelche Kritzeleien. Reeve hatte ihnen kaum Beachtung geschenkt, aber jetzt legte er die Blätter auf dem Fußboden des Wohnzimmers aus. Größtenteils Kringel, Kreise und Vierecke, außerdem das verzerrte Gesicht einer Kuh. Aber da waren auch Namen, Telefonnummern und, wie es aussah, Uhrzeiten. Neben den Nummern standen keine Namen. Er probierte es mit der ersten, der Anrufbeantworter einer Frau meldete sich. Bei der zweiten Nummer klingelte es nur unaufhörlich. Die dritte erwies sich als die Nummer eines Buchmachers in Finsbury Park. Die vierte gehörte zu einem Pub in Central London – dem Lokal, das Fliss und ihre Kollegen frequentierten.
Bei der fünften meldete sich wieder ein Anrufbeantworter: »Josh hier. Hinterlassen Sie eine Nachricht, und ich rufe Sie zurück.«
Ein recht unverbindlicher Text. Reeve legte auf und überlegte sich, was er sagen könnte. Schließlich wählte er noch einmal.
»Josh hier. Hinterlassen Sie eine Nachricht, und ich rufe Sie zurück.«
Er wartete auf den Piepton.
»Mein Name ist Gordon Reeve, und ich versuche, Joshua Vincent zu erreichen. Ich habe die Nummer in den Notizen meines Bruders gefunden. Mein Bruder hieß James Reeve; ich glaube, Mr. Vincent kannte ihn. Ich spreche in der Vergangenheit, weil mein Bruder tot ist. Ich glaube, er arbeitete zum Zeitpunkt seines Todes an einer Story. Ich hoffe, Sie können mir helfen. Ich möchte herausfinden, warum er gestorben ist.«
Er gab die Nummer von Jims Anschluss an und legte auf. Dann setzte er sich hin und starrte das Telefon eine geschlagene Viertelstunde lang an. Dann brühte er sich
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