Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
eine bestimmte Information oder direkt zitierte Aussage von ihm stammte. Dann setzte er sich auf.
»Er hatte mit Marie Villambard gesprochen.« Er zeigte Reeve das Blatt. Die Buchstaben MV am oberen Rand waren groß geschrieben und unterstrichen. Weder Reeve noch Fliss Hornby hatten damit etwas anfangen können.
»Wer ist das?«
»Eine französische Journalistin, sie arbeitet für eine Öko-Zeitschrift – Le Monde Vert heißt sie, glaube ich. ›Die grüne Welt‹. Klingt so, als hätten sie zusammengearbeitet.«
»Sie hat nicht versucht, ihn in London zu erreichen.« Es hatte keine Briefe aus Frankreich gegeben und Anrufe, laut Fliss, auch nicht.
»Vielleicht hatte er ihr gesagt, dass er sich melden würde, sobald er wieder aus San Diego zurück wäre.«
»Josh, warum ist mein Bruder eigentlich nach San Diego geflogen?«
»Um mit jemandem von Co-World Chemicals zu reden.« Vincent blinzelte. »Ich dachte, Sie wüssten das.«
»Sie sind der Erste, der es explizit sagt.«
»Er wollte versuchen, mit einigen der Forscher zu sprechen.«
»Warum?«
»Warum? Wegen der Experimente, die sie durchgeführt haben.« Vincent legte die Notizen hin. »Sie haben versucht, unter Laborbedingungen BSE zu ›erzeugen‹, genauso, wie es in Großbritannien ausgebrochen war, indem sie, gestützt auf Informationen unseres Landwirtschaftsministeriums, die identischen Verfahren einsetzten. Sie beschafften sich an der Traberkrankheit verendete Schafe und verarbeiteten sie zu Tiermehl, wobei sie dieselben ›Abkürzungen‹ nahmen, die Mitte der Achtziger hier üblich geworden waren. Dann verfütterten sie das Mehl an Kälber und ausgewachsene Rinder.«
»Und?«
»Und nichts. Man kann nicht gerade sagen, dass sie ihre Resultate in alle Welt hinausposaunten. Vier Jahre später waren die Versuchsrinder noch immer kerngesund.« Er zuckte die Achseln. »Sie haben andere Experimente begonnen. Sie haben Neurologen und Psychiater von Weltrang auf amerikanische Farmer angesetzt, die Symptome von neurodegenerativen Erkrankungen zeigen. Die Hinzuziehung von Psychiatern war ein geschickter Schachzug: So glaubt jeder, wir hätten es vielleicht mit hysterisch induzierten psychosomatischen Erkrankungen zu tun – die sogenannte Krankheit sei tatsächlich Einbildung und habe nichts mit dem zu tun, was wir auf unsere Felder sprühen und was wir in unsere Nutztiere stopfen.« Er schwieg kurz. »Noch etwas Schmorbraten?«
Reeve schüttelte den Kopf.
»Das Fleisch ist in Ordnung, Ehrenwort«, sagte Vincent mit einem ermutigenden Lächeln. »Von natürlich aufgezogenen Bio-Rindern.«
»Das glaub ich Ihnen aufs Wort«, sagte Reeve. »Aber ich bin satt, danke.«
Was jedenfalls die fünfundachtzigprozentige Wahrheit war.
Am Samstagmorgen nach dem Frühstück fuhr Josh Vincent ihn zum Bahnhof.
»Kann ich Sie auf dem Hof erreichen?«, fragte Reeve.
Vincent schüttelte den Kopf. »Ich bin nur noch höchstens ein, zwei Tage da. Kann ich Sie irgendwie erreichen?«
Reeve schrieb ihm seine Telefonnummer auf. »Sollte ich nicht da sein, kann meine Frau eine Nachricht entgegennehmen. Josh, Sie haben mir noch nicht gesagt, warum Sie sich eigentlich verstecken.«
»Was?«
»All diese Sicherheitsvorkehrungen. Sie haben nicht gesagt, warum sie nötig sind.«
Vincent ließ den Blick über den menschenleeren Bahnsteig schweifen. »Sie haben auch an meinem Auto geschraubt. Erinnern Sie sich an den Bauern, von dem ich Ihnen gestern erzählt habe?«
»Den, der einen Feldzug gegen den Einsatz von OPs gestartet hatte?«
»Genau. Ein Tierarzt unterstützte ihn dabei, aber dann ist der Tierarzt bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er verlor die Kontrolle über den Wagen und knallte gegen eine Mauer; keinerlei Erklärung, mit dem Auto war alles in Ordnung. Ich hatte einen ähnlichen Unfall. Die Lenkung reagierte plötzlich nicht mehr. Statt gegen eine Mauer bin ich gegen einen Baum geknallt und bin lebend davongekommen. Keine Autowerkstatt konnte irgendein Anzeichen von Fremdeinwirkung feststellen.« Vincent starrte in die Ferne. »Dann haben sie angefangen, mein Telefon im Büro abzuhören, und später fand ich heraus, dass auch mein Privatanschluss angezapft worden war. Ich glaube, sie haben meine Post geöffnet und anschließend wieder zugeklebt. Ich weiß , dass sie mich überwacht haben. Fragen Sie mich nicht, wer ›sie‹ waren, das weiß ich nicht. Ich könnte allerdings Vermutungen anstellen. Vielleicht der MI5, Special Branch oder die
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