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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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wissen, was Jim gewusst hatte, aber dennoch kam er nicht vom Fleck. Er fühlte sich wie eine Spinne, die in die Badewanne gekrabbelt ist, nur um erkennen zu müssen, dass sie an den glatten, steilen Wänden nicht mehr hochkommt. Über ihm schwebte ein Greifvogel, wahrscheinlich ein Turmfalke. Er glitt auf den Luftströmungen dahin, schnurgeradeaus, und bewegte die Flügel nur minimal, um sich auszubalancieren. So hoch er auch flog, konnte er wahrscheinlich noch die Bewegungen einer Maus im Dickicht von Gras und Stechginster ausmachen. Reeve dachte an die Flügel des SAS-Abzeichens. Flügel und ein Dolch. Die Flügel bedeuteten, dass die Special Forces jederzeit und allen Ortes einsetzbar waren. Und der Dolch … der Dolch verriet eine wesentliche Eigenschaft des Regiments: Die Männer waren für den Nahkampf ausgebildet. Eher als auf Distanz und die Treffsicherheit eines Scharfschützen setzten sie auf lautloses Anschleichen und die Klinge. Der Kampf Mann gegen Mann, das war ihre Stärke. So nah wie möglich an das Opfer herankommen, so nah, dass man ihm von hinten eine Hand auf den Mund und den Dolch in die Kehle stoßen konnte, und ihn dann hin und her reißen und den Kehlkopf zerfetzen. Maximaler Schaden, minimale Sterbezeit.
    Reeve spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss, und schloss für einen Moment die Augen, damit sich der Nebel wieder lichtete. Er schaute auf seine Armbanduhr und sah, dass seine Ruhepause länger ausgefallen war, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Seine Beine waren steif geworden. Es war Zeit, den Hügel hinunterzusteigen und die breite Schlucht zu durchqueren. Es war Zeit heimzukehren.
     
    »Jackie hat’n richtig tolles neues Spiel«, sagte Allan.
    Reeve sah Joan an. »Jackie?«
    »Ein Mädchen in seiner Klasse.«
    Er wandte sich zu seinem Sohn. »Spielst mit den kleinen Mädchen, hm? Nicht in ihrem Schlafzimmer, will ich hoffen.«
    Allan verzog das Gesicht. »Sie ist kein richtiges Mädchen, Dad. Sie hat diese ganzen Spiele …«
    »Auf ihrem Computer.«
    »Ja.«
    »Und ihr Computer ist wo im Haus?«
    »In ihrem Zimmer.«
    »Ihrem Schlafzimmer?«
    Allan bekam rote Ohren. Reeve versuchte, Joan zuzuzwinkern, aber sie sah nicht hin.
    »Das ist wie Doom «, sagte Allan, ohne auf die Frage seines Vaters einzugehen, »aber mit mehr Geheimgängen, und da kriegt man nicht bloß neue Munition und so Zeug, man kann sich richtig in diese geilen Wesen verwandeln mit haufenweise neuen Waffen und so Zeug. Man kann den Bösen die Augen verbrutzeln, so dass sie blind sind, und dann …«
    »Allan, das reicht«, sagte seine Mutter.
    »Aber ich erzähl Dad doch nur …«
    »Das reicht.«
    »Aber Dad …«
    »Das reicht!«
    Allan schaute auf seinen Teller hinunter. Er hatte die ganzen Pommes aufgegessen und jetzt nur noch den kalten Schinken und die Baked Beans übrig. »Aber Dad hat doch gefragt«, flüsterte er. Joan sah ihren Mann an.
    »Erzähl’s mir später, Kumpel, okay? Manche Dinge haben am Esstisch nichts zu suchen.« Er sah zu Joan hinüber, die sich gerade eine Scheibe Schinken in den Mund steckte. »Besonders gebratene Alien-Augäpfel.«
    Joan warf ihm einen bitterbösen Blick zu, aber Allan und Gordon lachten. Der Rest der Mahlzeit verlief friedlich.
    Anschließend brühte Allan einen Pulverkaffee für seine Eltern auf – eine seiner neusten Pflichten im Haus. Obwohl Reeve von der Idee, einen Elfjährigen in die Nähe eines Wasserkochers zu lassen, nicht so begeistert war.
    »Aber gegen verbrutzelte Aliens hast du nichts einzuwenden, ja?«, fragte Joan.
    »Aliens tun keinem was zuleide«, sagte Reeve. »Aber ich hab schon gesehen, was kochendes Wasser anrichten kann.«
    »Er muss es lernen.«
    »Schon gut, schon gut.« Sie saßen jetzt im Wohnzimmer. Reeve war mit einem Ohr in der Küche. Beim ersten Klirren oder Aufschrei wäre er rübergeschossen. Doch Allan erschien unversehrt mit den zwei Bechern. Der Kaffee war stark.
    »Gibt es Milch neuerdings wieder nur auf Lebensmittelkarte?«, erkundigte sich Reeve.
    »Was ist eine Lebensmittelkarte?«
    »Sei froh, dass du das nicht weißt.«
    Allan wollte fernsehen, also setzten sie sich auf das breite Sofa, Reeve mit dem Arm auf der Rückenlehne, hinter dem Nacken seiner Frau, aber ohne sie zu berühren. Sie hatte ihre Pantoffeln ausgezogen und die Beine hochgenommen. Allan saß vor ihr auf dem Fußboden. Kater Bakunin ruhte auf ihrem Schoß und maß Reeve mit hasserfüllten Blicken, als sei er ein Fremdkörper in diesem Hause – was

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