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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hielten. Das wäre ein guter Grund gewesen, ihn zu töten. Um Angus' guten Namen zu retten und den Genevieves. Vielleicht um Caleb daran zu hindern, irgendeine entsetzliche Wahrheit über seinen Bruder zu enthüllen?«
    »Glauben Sie, Lord Ravensbrook hätte Caleb getötet, um Genevieve zu schützen?« Monk sah ihn skeptisch an. »Nach dem, was ich beobachtet habe, könnte man ihr Verhältnis zueinander bestenfalls kühl nennen.«
    »Dann wollte er sich selbst schützen«, wandte Rathbone unerbittlich ein und beugte sich noch ein wenig weiter vor.
    »Oder er wollte Angus beschützen oder sein Andenken. Schließlich war er der einzige Sohn, den er je hatte. Man kann einen Sohn auf eine seltsame leidenschaftliche und besitzergreifende Art lieben, als wäre er ein Teil von einem selbst. Ich habe einige sehr vielschichtige Gefühlsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern erlebt.«
    »Und Caleb?« fragte Monk, der seine Lippen zu einem bitteren Lächeln verzogen hatte.
    »Das weiß Gott allein«, seufzte Rathbone. »Vielleicht wollte er ihm das Urteil und den Henker ersparen. Das würde ich niemandem wünschen. Es ist eine grauenvolle Art zu sterben. Es ist nicht der eigentliche Sturz in die Tiefe und das Seil um den Hals, das sich mit einem Ruck zuzieht und einem das Genick bricht, sobald sich die Falltür öffnet, es ist das bewußte Stunde um Stunde, Minute um Minute sich dahinziehende Warten auf die festgesetzte letzte Stunde. Es ist eine ausgeklügelte Grausamkeit, die jeden, der damit zu tun hat, seiner Würde beraubt.«
    »Dann sollten wir vielleicht wirklich Mr. Goode fragen«, entschied Hester. »Wenn wir es überhaupt wissen wollen. Wollen wir es wissen?«
    »Ja«, sagte Monk, ohne zu zögern. »Ich möchte es wissen, selbst wenn ich nichts deswegen unternehmen will.«
    Rathbones Augen weiteten sich. »Könnten Sie das über sich bringen… Zu wissen und nichts zu unternehmen?«
    Monk öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, änderte dann aber seine Meinung. Er zuckte die Achseln und trank den Rest seines Portweins aus, ohne Rathbone oder Hester anzusehen.
    Rathbone läutete nach dem Butler, der wenige Sekunden später eintrat.
    »Ich möchte, daß Sie Ebenezer Goode ein Schreiben überbringen, und zwar sofort«, befahl Rathbone. »Es ist von entscheidender Wichtigkeit, daß wir ihn sprechen, bevor das Gericht morgen wieder zusammentritt. Ich nehme an, er wird zu Hause sein, aber wenn nicht, ist die Sache wichtig genug, um ihn aufzuspüren, wo immer er ist. Holen Sie Ihren Mantel, und ich setze währenddessen das Schreiben auf. Nehmen Sie einen Hansom.«
    Der Butler verzog keine Miene; sein Gesicht blieb genauso teilnahmslos, als hätte Rathbone ihn lediglich gebeten, ihm noch eine Flasche Port zu bringen.
    »Jawohl, Sir. Es handelt sich um die Adresse auf dem Westbourne Place, Sir?«
    »Ja.« Rathbone stand auf. »Und beeilen Sie sich.«
    Es dauerte über anderthalb Stunden, bis Ebenezer Goode mit langen Schritten ins Zimmer trat. Er trug einen weiten Mantel und hatte sich einen breitrandigen Hut auf den Kopf gestülpt; in seinen Augen lag ein erwartungsvoller Blick.
    »Nun?« fragte er, sobald er in der Tür stand. Er verbeugte sich kurz und schwungvoll vor Hester und ignorierte sie dann, um Rathbone und Monk anzusehen. »Was kann jetzt noch so wichtig sein, daß es nicht bis morgen früh hätte warten können? Haben Sie eine Leiche gefunden?«
    »Ja und nein.« Rathbone zeigte auf einen Sessel. Sie hatten sich ins Wohnzimmer zurückgezogen und saßen bequem vor einem lodernden Kaminfeuer. »Kennen Sie Miss Hester Latterly? Sie sind der Dame natürlich bekannt.«
    »Miss Latterly. Guten Tag.« Goode deutete eine Verbeugung an. »Was zum Teufel wollen Sie damit sagen, Rathbone? Haben Sie Angus Stonefields Leiche gefunden oder nicht?«
    »Nein, wir haben sie nicht gefunden. Aber mit Calebs Tod verhält es sich nicht annähernd so einfach, wie wir zuerst angenommen haben.«
    Goode, der erst die halbe Strecke zu dem ihm zugewiesenen Sessel zurückgelegt hatte, erstarrte.
    »Wie? In welcher Hinsicht? Ist Ravensbrook schwerer verletzt, als man uns gesagt hat?«
    Er ließ sich in den Sessel fallen.
    »Nein«, antwortete Hester. »Nur einige geringfügige Schnitte an Unterarm und Schultern. Sie werden ihm eine Weile Verdruß bereiten, aber keine der Wunden ist ernst.«
    Goode sah sie scharf an.
    »Miss Latterly ist Krankenschwester«, sagte Monk ziemlich hastig. »Sie war auf der Krim und hat mehr Verwundete versorgt,

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