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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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als Sie Fälle verhandelt haben. Sie hielt sich glücklicherweise in der Nähe des Gerichts auf und kam Lord Ravensbrook zu Hilfe.«
    »Ich verstehe.« Ein Hauch von Interesse erhellte Goodes Miene. »Darf ich Ihrem Tonfall und Ihrer seltsamen Wortwahl entnehmen, Miss Latterly, daß da Ihrer Meinung nach noch mehr dahintersteckt, als Sie bisher gesagt haben?«
    »Es geht schlicht und einfach um folgendes, Mr. Goode«, erklärte Monk. »Uns fällt keine Erklärung ein, die zu den Tatsachen, zu allen Tatsachen paßt, deshalb haben wir das Gefühl, daß es etwas wirklich Schwerwiegendes gibt, von dem wir keine Kenntnis haben.«
    Goodes Augenbrauen schossen in die Höhe. »Und Sie denken, ich wüßte etwas?« sagte er ungläubig. »Ich habe nicht die leiseste Vorstellung, warum Caleb Lord Ravensbrook hätte angreifen sollen. Er könnte ihn durchaus gehaßt haben, weil er ihm Angus so offensichtlich vorzog und vielleicht immer vorgezogen hatte, aber das alles ist doch ziemlich klar. Übrigens, welche Tatsachen passen Ihrer Meinung nach nicht ins Bild?« Wieder sah er Hester an.
    »Die Tatsache, daß Lord Ravensbrook erst dann um Hilfe rief, nachdem er bereits - wenn auch nur geringfügig - verletzt war«, antwortete sie. »Und Caleb hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine tödliche Stichwunde, seine Halsschlagader war getroffen - und er war tot.«
    Er beugte sich vor und sah sie durchdringend an.
    »Wollen Sie damit andeuten, Ma'am, daß Lord Ravensbrook einen aktiven Anteil an Calebs Tod hatte, sei es bei einem Selbstmord, sei es bei einem Mord?«
    »Nicht ganz. Wir halten es nicht für wahrscheinlich, daß Caleb sich selbst getötet haben könnte. Warum sollte er? Seine Verteidigung hatte noch nicht einmal begonnen.« Sie sah ihn direkt an. »Hatte er nicht doch noch eine gewisse Chance, einer Verurteilung zu entgehen oder zumindest keines schlimmeren Verbrechens für schuldig befunden zu werden, als daß er einen tödlichen Unfall nicht gemeldet hatte? Wenn ich ihn verteidigt hätte«, sie schenkte Goode, der sichtbar überrascht war, keine weitere Beachtung, »hätte ich darauf plädiert, daß es eine Prügelei gegeben habe, bei der Angus unglücklicherweise zu Tode kam; vielleicht ist er in den Fluß gestürzt und hat sich den Kopf angeschlagen, und Caleb hatte Angst, den Vorfall zu melden, da er nicht beweisen konnte, was passiert war; und angesichts der ständigen Streitigkeiten zwischen ihnen und dem Wissen um seinen eigenen Ruf befürchtete er, daß niemand ihm glauben würde. Schließlich gibt es keine Zeugen, die etwas anderes behaupten können.«
    Goode lehnte sich in seinem Sessel zurück und streckte seine langen Beine aus.
    »Hm, so hätten Sie also seine Verteidigung aufgebaut?«
    »Ja«, sagte sie entschlossen. »Sie nicht?«
    Ein plötzliches strahlendes Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit. »O doch, Ma'am, genau das hätte ich getan, vor allem der Schwere der Beweise wegen, die die Anklage vorgebracht hat. Ich denke, es hätte nicht ausgereicht, das Ganze einfach als unbewiesen zurückzuweisen. Die Geschworenen mochten Caleb Stone nicht, und Mrs. Stonefield erfreut sich beträchtlicher Sympathien.«
    »War es das, was Sie vorhatten?« wollte Rathbone wissen.
    »Wollten Sie morgen Caleb Stone in den Zeugenstand rufen?«
    »Natürlich«, antwortete Goode. »Ich habe doch sonst keine Zeugen. Warum? Welches Licht könnte das auf seinen Tod werfen?«
    »Gar keins, es sei denn, wir wüßten, was er sagen wollte.« Zum erstenmal hatte nun auch Monk das Wort ergriffen. »Um es kurz zu machen, wollte er etwas über Angus sagen, das es gerechtfertigt hätte, ihn zu töten, um es geheimzuhalten?«
    »Ravensbrook?« fragte Goode schrill. »Sie denken, Lord Ravensbrook hat Caleb in seiner Zelle ermordet, um ihn zum Schweigen zu bringen?«
    »Offensichtlich denken Sie das nicht«, sagte Rathbone trocken. »Daher können Sie nicht wissen, was eine solche Möglichkeit nahelegen würde.«
    »Oder er begreift die Tragweite dessen, was er weiß, nicht.« Monk war nicht bereit, so einfach aufzugeben. »Vielleicht weiß er, worum es geht, sieht aber die Bedeutung dieser Sache nicht oder ihre Konsequenzen.« Er fuhr herum und sah Goode direkt an. »Was wollte er sagen?«
    Goode biß sich auf die Lippen. »Nun, bei einem normalen Mandanten würde ich die Antwort natürlich kennen, sonst würde ich die Fragen gar nicht erst stellen. Aber bei Stone konnte ich lediglich raten. Natürlich hat er mir gesagt, daß er

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