Sein Bruder Kain
behaupten würde, es habe sich um einen Unfall gehandelt, daß der Haß auf Gegenseitigkeit beruhte und daß er Angus nicht mehr zerstört hätte, als Angus ihn zu zerstören wünschte.« Er schlug die Beine übereinander, stützte die Ellbogen auf die Lehnen seines Sessels und legte die Fingerspitzen aneinander.
»Sie müssen verstehen, daß er sich pausenlos in Andeutungen erging und in Paradoxa, und die Hälfte der Zeit hat er einfach nur gelacht. Wenn ich geglaubt hätte, daß es eine Hilfe für ihn gewesen wäre, hätte ich auf Wahnsinn plädiert.« Er sah die drei anderen abwechselnd an, und in seinem Blick stand Mitleid und Unverständnis. »Aber wer will schon sein Leben in Bedlam beschließen? Ich glaube, ich würde mich lieber hängen lassen. Manchmal war er absolut klar, ganz und gar bei Verstand. Er war mit Sicherheit höchst intelligent und gut erzogen. Wenn er es wollte, konnte er sich wunderbar ausdrücken. Zu anderen Zeiten klang er wie jeder andere Raufbold von der Isle of Dogs.«
»Sie wissen also wirklich nicht, was er sagen wollte?« schloß Rathbone.
»Hätten Sie es gewußt? Ich weiß nur, was ich ihn fragen wollte.«
»Und was war das?« fragten Rathbone und Monk gleichzeitig.
»Ich wollte ihn natürlich nach seinem Streit mit Angus fragen und nach den Hintergründen ihrer Streitigkeiten«, erwiderte Goode.
»Nach Angus!« Monk schlug sich auf die Schenkel. Dann fuhr er herum und sah Hester an. »Dann müssen wir herausfinden, was er sagen wollte, worum es bei ihrem Streit wirklich ging, wenn wir wissen wollen, ob die Sache es wert wäre, ihn dafür zu töten. Wollen wir das wissen?«
»Ich will es auf jeden Fall wissen!« sagte Goode sofort.
»Schuldig oder nicht, er war mein Mandant. Wenn er ermordet wurde, aus welchem Grund auch immer, will ich es nicht nur wissen, ich will es auch beweisen.«
»Wem?« fragte Rathbone. »Das Gericht wird nicht warten, während wir Angus Stonefields Jugend erforschen.«
»Es ist ein unnatürlicher Tod«, stellte Goode fest. »Es wird eine gerichtliche Untersuchung der Todesursache geben.«
»Eine Formalität«, entgegnete Rathbone. »Ravensbrook wird seine Aussage zu Protokoll geben. Die Wärter werden sie bestätigen. Der Arzt wird die Todesursache bestätigen, und die ganze Sache wird als unglücklicher Unfall abgetan werden. Jeder wird sagen: ›Was für eine Schande!‹ und dabei denken:
›Was für eine Erleichterung!‹ Man wird die Sache zu den Akten legen und sich dem nächsten Fall widmen.«
»Es könnte Tage, vielleicht Wochen dauern, bis wir herausfinden, was Caleb sagen wollte, das von solcher Tragweite war«, sagte Monk wütend. »Können Sie die Sache nicht hinauszögern?«
»Für eine Weile vielleicht, ja.« Rathbone sah Goode an. »Was meinen Sie?«
»Wir können es versuchen.« Goodes Stimme klang ein wenig energischer. »Ja, verdammt noch mal, wir können es natürlich versuchen!« Er fuhr herum. »Miss Latterly?«
»Ja?«
»Können wir mit Ihrer Unterstützung rechnen? Können Sie sich als Zeugin der Ereignisse so vage und widersprüchlich wie nur möglich verhalten? Geben Sie dem Gericht Gründe zum Nachdenken und um Fragen zu stellen.«
»Natürlich«, sagte sie sofort. »Aber wer wird Monk helfen, Angus' Leben zu ergründen? Das kann er nicht allein tun.«
»Wir alle werden ihm helfen, jedenfalls bis die gerichtliche Untersuchung beginnt«, sagte Goode einfach. »Bis dahin werden wir zumindest eine Vorstellung davon haben, wonach wir eigentlich suchen und an wen wir uns deswegen wenden können.«
»Wir müssen den Leichenbeschauer so weit bringen, daß er glaubt, es könnte sich um einen Mord gehandelt haben«, fügte Rathbone mit wachsendem Eifer hinzu. »Wenn er die Sache für einen Unfall oder einen Selbstmord hält, wird er sie einfach zu den Akten legen. Und verdammt, es wird hart werden. Der einzige mögliche Schuldige ist Ravensbrook, und das würde keinem Leichenbeschauer, den ich kenne, in den Kram passen.«
»Dann machen wir uns besser sofort an die Arbeit«, stellte Monk entschlossen fest. Er sah Goode an. »Ich nehme an, Sie werden eine volle gerichtliche Untersuchung für Ihren Mandanten fordern und genug Zeit, um Beweise zu sammeln?« Dann wandte er sich an Rathbone. »Und Sie werden darum bitten, die Krone repräsentieren zu dürfen, da Sie der Ankläger sind?« Schließlich sah er Hester an, deren Einverständnis er voraussetzte, ohne daß es ihm auch nur in den Sinn gekommen wäre, danach zu fragen.
Weitere Kostenlose Bücher