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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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davor fürchten, wie sie es tut. Ich dachte, es sei einfach die Liebe zum Luxus. Ich bin froh, daß ich mich geirrt habe.«
    Hester lächelte. Sie kannte Monks Verwundbarkeit, wenn es um gewisse Frauen ging. Er hatte sich schon zuvor als erschreckend schlechter Menschenkenner erwiesen, aber das erwähnte sie nicht. Das war gerade jetzt ein besonders heikles Thema.
    »Dann war es Angus oder vielleicht Caleb, der ihr beigebracht hat, wie sich eine Dame zu bewegen und zu benehmen hat?« überlegte Rathbone. »Wenn es Caleb war, dann könnte das ausschlaggebend gewesen sein, um seine Rivalität mit Angus in Haß zu verwandeln. Sie hat Angus kennengelernt, als er Caleb besuchte, und vielleicht hat sie sich in ihn verliebt, oder, was einen weniger für sie einnehmen würde, sie hat eine Chance gesehen, aus der Armut und dem Schmutz von Limehouse herauszukommen, und sie hat diese Chance genutzt.«
    »Und Sie glauben, Caleb hat sie vielleicht geliebt?« fragte Hester und zog die Augenbrauen hoch. »So sehr, daß er später Angus tötete, weil er sie ihm weggenommen hatte, und jetzt, als er sie im Gerichtssaal wiedersah, quälte ihn die Reue so sehr, daß er sich mitten in der Verhandlung das Leben nahm? Und Lady Ravensbrook hat es zugelassen und ist jetzt bereit, diesen Umstand zu vertuschen? Nein!« Sie schüttelte energisch den Kopf. » Sie hat erzählt, daß sie nie etwas mit Caleb zu tun hatte, und ich glaube ihr. Sie hatte keinen Grund zu lügen. Außerdem ergibt es Sinn. Wenn das, was Sie sagen, der Wahrheit entspräche hätte er als er nach Papier und Tinte schickte, niedergeschrieben was immer er ihr noch sagen wollte. Es sei denn, Sie glauben Lord Ravensbrook hätte das Papier an sich genommen. Aber warum sollte er das tun?«
    Rathbone blickte in seinen Port, der im Kerzenlicht rubinrot funkelte, aber er rührte sich nicht.
    »Sie haben recht«, gab er zu. »Es ergibt keinen Sinn.«
    »Und ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Caleb Stone sich aus Reue das Leben nehmen würde«, fügte Monk hinzu.
    »Es war nicht nur Haß, der ihn antrieb. Ich weiß nicht, was es noch war, ein schreckliches Gefühl, das seine Krallen in sein Herz oder seinen Bauch geschlagen hatte oder in beides, aber hinter dem Ganzen standen auch eine ungebändigte Lebenslust, eine Art Schmerz. Aber spielt das alles jetzt noch eine Rolle?« Er sah von einem zum anderen, aber der Schatten in seinen Augen und das Gefühl der Traurigkeit in ihm beantworteten die Frage nachdrücklicher, als Worte es vermocht hätten.
    Keiner der beiden machte sich die Mühe, die Frage zu bejahen. Die Antwort lag greifbar in der Luft, in dem ruhigen Kerzenlicht auf dem Tisch, das auf unbenutztem Silber funkelte und in den blutroten Farben der Portgläser aufblitzte.
    »Wenn es kein Selbstmord war, dann war es entweder ein Unfall oder ein Mord«, stellte Rathbone fest. Er sah Hester an.
    »Haben sich die Dinge wirklich genau so abgespielt, wie Ravensbrook sagte?«
    »Nein.« Sie war sich ihrer Sache ganz sicher. »Es könnte ein Unfall gewesen sein, aber wenn es so war, wie er sagte, warum hat er dann nicht sofort um Hilfe gerufen, als Caleb ihn angriff?«
    »Das hat er nicht getan«, sagte Rathbone langsam. »Er kann es nicht getan haben. Und seinem eigenen Bericht zufolge hat er kurz mit ihm gekämpft, einige Sekunden lang vielleicht, aber die Tatsache, daß es einen Kampf gegeben hat, war offensichtlich.«
    »Einen Kampf, in dem Lord Ravensbrook versuchte, sich zu schützen.« Monk griff den Faden auf. »Womit er im Prinzip Erfolg hatte. Seine Wunden sind nur geringfügig. Aber Caleb wurde getötet, und zwar durch einen ganz besonders unglücklichen Zufall.« Er schnitt ein Gesicht.
    »Wenn Caleb ihn angegriffen hat, warum hat er dann nicht sofort um Hilfe gerufen?« fragte Hester.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht in der verzweifelten Hoffnung, die Sache regeln zu können, ohne daß die Wärter davon erfuhren?« schlug Rathbone vor. »Es wäre ein fataler Beweis gegen ihn gewesen, wenn das Gericht davon erfahren hätte, und selbst wenn niemand es zur Sprache gebracht hätte, hätte man aus Ravensbrooks Verletzungen allein schon mühelos die richtigen Schlüsse ziehen können.«
    »Unvernünftig unter den gegebenen Umständen«, meinte Monk.
    »Menschen sind oft unvernünftig«, entgegnete Hester. »Aber ich glaube nicht, daß sie im Falle eines unerwarteten Angriffs einen so komplizierten Gedankengang entwickeln können. Hätten Sie, wenn jemand Sie in einem

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