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Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
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Schwester und wusste, Lynne würde so leicht nicht aufgeben; und wenn sie aus Stella McCorkindale etwas herausbekäme, würde das ihre Neugier nur noch mehr anstacheln. Eve stellte den Karton auf das Bett und schob die Unterbettkommode aus Plastik an Ort und Stelle zurück, und zwar genau dorthin, wo Lynne sie haben wollte. Sie nahm sich Zeit, um wieder aufzustehen, wobei ihr rechtes Bein grotesk hinter ihr hervorstand. Schließlich wartete sie ab, bis das Schwindelgefühl vergangen war, nahm dann den Schuhkarton und ging in den Salon. Fünf Minuten später hatte sie den Inhalt des Schuhkartons in ihrem Schreibtisch verteilt, ein paar Dinge hier und ein paar dort versteckt. Die meisten passten unter das Einlegebrett in ihrem Kasten mit den Pastellkreiden. An dieser Stelle würde Lynne niemals nachschauen; das war ihr zu schmuddelig. Eve zerriss den Schuhkarton in winzige Fetzen und schob sie auf den Boden des Mülleimers in der Küche.
    Als Lynne zurückkam, lag Eve längst wieder auf dem Sofa. Sie jammerte: »Gerade bin ich eingeschlafen, da weckst du mich, weil du die Badezimmertür zuknallst. Es ist schon elf! Du weißt doch, wie schlecht ich einschlafen kann. Kannst du nicht ein bisschen mehr Rücksicht nehmen?«
    Peter Anderson fror, und zwar schlimmer als je zuvor in seinem Leben. Es war still; hier hörte man nicht einmal den Verkehrslärm. Die Tür stand ein wenig offen – er hatte versucht, sie zuzustoßen, doch der Betonboden war uneben, und die Tür hatte sich verklemmt. Peter hatte versucht, sie wieder aufzuziehen. Die Tür hatte gezittert und war zurückgesprungen. Als er sich dabei den Splitter in die Haut gerammt hatte, hatte er vor Schmerz laut aufgeschrien; seine Hand hatte zu bluten begonnen.
    Er versuchte es erneut, aber jetzt rührte sich die Tür überhaupt nicht mehr. Und er konnte nicht mehr hinaus, der Spalt war zu schmal.
    Peter hüllte sich tiefer in seinen Pullover und zog sich den Anorak vorn zu, so wie er es bei den Wölflingen gelernt hatte. Er mummelte sich ein, setzte sich an die Wand, schloss die Arme um die Knie, wippte mit dem Kopf vor und zurück und sang das Lied vom magischen Drachen Puff vor sich hin. Gelegentlich hörte er über sich Schritte und eine Tür, die sich öffnete und wieder zuging. Einmal war er zu der kleineren Tür gegangen, aber die war verschlossen gewesen.
    Wenn er beim nächsten Mal Schritte hören würde, würde er schreien, aber es kamen keine mehr. Offensichtlich hatte er sich zu einer Kugel zusammengerollt und war eingeschlafen, denn er erwachte von einem Laut. Er streckte die Hand nach seinem Dinosaurier aus. Statt seiner warmen Bettdecke ertasteten seine Finger kalten Beton. Dann fiel ihm alles wieder ein.
    Er hörte einen Wagen davonfahren. Dann war es dunkel und still.
    Sehr dunkel. Er bemühte sich, keine Angst zu haben. Von irgendwo hörte er Musik, als würde eine Blaskapelle Weihnachtslieder spielen, aber niemand sang, und alles schien aus weiter Ferne zu kommen. Er fiel mit ein, wenn er den Text kannte, und wenn er ihn nicht wusste, dachte er sich etwas aus. So sang er leise vor sich hin. Und er wartete auf seinen Dad, damit der kam und ihn holte. Seine Hand tat weh, und zum ersten Mal seit zwei Jahren lutschte er wieder am Daumen.
    Vik Mulholland zog die Handschuhe an, als er aus der Wache kam, froh, das Chaos hinter sich zu lassen. Die Luft war klar und bitterkalt; es schneite, und er musste aufpassen, damit er nicht in den Schneematsch am Rande des Bürgersteigs und im Rinnstein trat. Er hörte immer noch Musik von der Byres Road her. Besonders im West End feierte man geradezu eine Art Winterkarneval, und Mutter Natur hatte das Ihrige dazugetan und diesen hübschen ruhigen Schneefall hervorgezaubert. Während er die Hyndland Road entlangging, hörte er die Blaskapelle der Heilsarmee, die in der Ferne »Rudolf, das Rentier mit der roten Nase« verstümmelte – und niemand hier im West End konnte sich davor retten.
    Vik beschleunigte den Schritt, als er den Beaumont Place erreichte. Vor Nr. 42 stand Frances auf der Straße, hatte den Kragen hochgeschlagen und die Schultern zusammengezogen – sie sah wie eine schlanke schwarze Hexe aus, die sich zart vom Weiß des Schnees abhob.
    »Fran?«, rief Vik laut. Dann leiser, als sie nicht reagierte: »Fran, geht es dir gut? Es ist fast Mitternacht, mein Gott. Du wirst dir hier draußen noch den Tod holen.«
    »Sie sehen wie Gespenster aus, nicht?«, murmelte sie mit ihrer heiseren Stimme, und mit

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