Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
nicht auch so beabsichtigt?«, fragte Batten.
»Nicht, wenn die Bodentruppen anderer Meinung sind. Wir glauben, jeder Profiler würde sowieso nur darum gebeten, sich die längst bekannten Pädophilen anzuschauen. Der Ermittlungsrahmen wird eingeschränkt, obwohl er eigentlich erweitert werden sollte … Immer wieder lässt man etwas an die Presse durchsickern.« Sie setzte sich, denn plötzlich waren ihre Knie zu wackelig, um sie zu tragen. »Ich bin nicht sicher, was da los ist, aber die neue DCI und John Littlewood sind offensichtlich auf einem Abzweig unterwegs, über den sonst niemand Bescheid weiß, und ich – na ja, ich halte das nicht für förderlich. Wenn Sie hier wären, würden Sie mir ganz sicherlich zustimmen. Kann ich Ihnen einen Teil von dem Zeug rüberschicken, damit Sie einen Blick draufwerfen?«
»Wie Sie schon sagten, es ist fast Weihnachten. Um die Genehmigung zu bekommen, brauchen Sie eine Ewigkeit.«
»Und ohne Genehmigung?«
»Costello, wie gut kennen Sie Peter Anderson?«
»Er ist Colins Sohn. Wie gut, glauben Sie, kenne ich ihn?«
»Dann sollten Sie Distanz wahren, und das wissen Sie sehr wohl. Wenn man das Opfer kennt, arbeitet man nicht mehr mit der gleichen Effektivität. Passen Sie auf, ich habe gestern mit einem Mann gesprochen …« – er zögerte kurz –, »… mit einem Mann gesprochen, der seiner Tochter die Augen mit einem Messer ausgestochen hat, weil er glaubte, sie habe die Augen Satans. Das Kind war vier Jahre alt …« Er nippte schnell zwischendurch am Whisky.
»O Gott!« Costello überlief es kalt, und ihr wurde übel.
»… und meine Tochter ist ebenfalls vier Jahre alt. Wie lange würde ich diesen Job durchstehen, wenn ich das an mich heranlasse?«
»Und wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihre Tochter entführt würde und ich Ihnen die Vorschriften vorbete?«
Schweigen. Eis klingelte gegen Kristallglas. »Dieses Gespräch haben wir nie geführt. Haben Sie meine Faxnummer?«
Costello verkniff sich die Tränen, sagte leise danke und legte auf. Sie blickte sich um; niemand hatte sie beachtet, und das Faxgerät blinkte untätig in der Ecke. Sie holte tief Luft, nahm die Zusammenfassung der Besprechung und schickte ein Stoßgebet zu einem Gott, an den sie gar nicht glaubte.
Mulholland trottete langsam den Hügel zur Wache wieder hinauf. Die Nacht war gespenstisch hell, der Schnee bedeckte unberührt den Boden, und es regte sich kein Windhauch. Der Lärm betrunkener Glückseligkeit drang gedämpft zu ihm vor. Alles schläft. Einsam wacht. Alles schien sich im Wartezustand zu befinden.
Frances’ Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, als er die Arbeit erwähnt hatte. »Ich dachte schon, du wolltest mich sehen«, hatte sie gesagt. Sie hatte verletzt, sogar verärgert geklungen. Als er ihr die Sache mit Peter erklärt hatte, war sie ganz unruhig geworden, und am Ende war sie gekränkt nach Hause geflohen.
Nein, sie hatte weder Peter noch Brenda auf dem deutschen Markt gesehen. Sie hatte nur nach dem Bazar nicht sofort nach Hause gehen wollen. Sie war deprimiert gewesen und wollte unter Menschen sein. Ja, ihr waren die Männer in den langen Mänteln aufgefallen, und ja, sie hatte das Logo erkannt. Und sie glaubte sogar, die beiden Männer erkannt zu haben. Mulholland beschleunigte seinen Schritt, begann zu laufen – das mussten sie in der Wache schleunigst erfahren. Frances war sicher, es habe sich um Dec Slater und vielleicht Jinky Jones gehandelt. Bei Dec war sie sicher, nicht ganz jedoch bei Jinky.
Das Logo, um das es ging, war das Logo von Rogan O’Neills Homecoming-Tour – das wusste schließlich jedes Kind.
»Also gut, Leute.« Quinn klopfte auf den Tisch, um wieder für Ruhe zu sorgen. Hinter ihr hatte jemand eine Karte der Vereinigten Staaten an der Wand befestigt, aber niemand traute sich zu fragen, zu welchem Zweck. »Ich weiß, Sie sind hundemüde, aber wir haben Colin für eine halbe Stunde aus dem Haus – er ist in guten Händen, Burns wird ihn beruhigen, er geht mit ihm spazieren und sorgt dafür, dass er etwas isst. Wir können uns vermutlich kaum vorstellen, was zurzeit in Colin vorgehen muss.« Quinn hielt inne und zog das Gummiband um ihren Pferdeschwanz straff. »Natürlich wird er nicht im Team bleiben, bis wir den kleinen Bengel gefunden haben, trotzdem, jedem von uns würde es wohl genauso gehen.« Die Anwesenden murmelten zustimmend. »Ich möchte mich zunächst bedanken, weil Sie alle erschienen sind. Als Erstes sollten wir
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