Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
meinte O’Hare. »Die Seele dieses armen Mädchens hat er allerdings gebrochen. Eine normale Frau würde nicht einen toten Fötus in einen Glaskasten legen und Gedichte darüber schreiben. Eine gesunde Frau würde ins Krankenhaus gehen.«
»Ich hätte ihn trotzdem nicht damit durchkommen lassen, ich nicht. Ich hätte ihn bis ans Ende der Welt gejagt«, fauchte sie. »Und wieder zurück.«
»Daran habe ich keinen Zweifel«, sagte O’Hare.
Colin Anderson parkte den Astra in zweiter Reihe vor Helenas Haus. Er hatte bei McDonald’s angehalten und sich einen Chickenburger und einen Caffè Latte geholt. Bei Marks and Spencer auf der Byres Road hatte er sich außerdem Kleidung zum Wechseln gekauft, wobei er drei Kreditkarten probieren musste, bis er eine fand, deren Rahmen Brenda nicht bis zum Äußersten für Geschenke ausgeschöpft hatte. Und was hatten Geschenke schon für einen Sinn, dachte er, wenn Peter nicht bei ihnen war?
Es wurde bereits wieder dunkel. Eine Minute lang saß Anderson da, ließ den Motor und die Heizung laufen und auch das Radio, für den Fall, dass dieses verfluchte Lied wieder gespielt wurde. Es würde ein Festtag für die Medien werden, wenn die Geschichte herauskam. Er sah es regelrecht vor sich, wie Rogan öffentlich Krokodilstränen wegen Frances vergoss und versprach, erneut eine riesige Summe für wohltätige Zwecke zu spenden, damit er in der öffentlichen Meinung gut dastand. Dieses Oberarschloch würde hinterher bei den Leuten wahrscheinlich besser ankommen als vorher.
Anderson schaltete die Scheibenwischer ab. Schneeflocken landeten auf dem Glas, schmolzen und zogen einen feinen Vorhang aus Wasser über die Scheibe. Er trank den Kaffee in großen Schlucken und spürte, wie das Gebräu sein Gehirn wieder in Gang brachte.
Nachdem er mit dem Caffè Latte fertig war, nahm er die Plastiktüte vom Beifahrersitz. Helena hatte recht; allein bei dem Gedanken an eine Dusche, an saubere Zähne, ein sauberes Gesicht und an frische Kleidung fühlte er sich besser.
Er stieg aus und zog sich den Anorakkragen bis zu den Ohren hoch. Die Mülltonne war inzwischen geleert worden, stand jedoch immer noch auf dem Bürgersteig. Er zerknüllte die Papiertüte, in der sein Burger gesteckt hatte, und warf sie zusammen mit dem Pappbecher in die Tonne. Als er die Griffe der Tonne packte, um sie die Treppe hinunter zum Keller zu bringen, fiel ihm etwas auf, unten am schmiedeeisernen Zaun in einer feuchten Sammlung von Laub und Müll, die der Wind hier zusammengefegt hatte. Da leuchtete etwas grün. Er bückte sich, hob es auf und zog es auseinander – fünfzehn Zentimeter eines hellgrünen Materials mit einem Plastikhuf am Ende.
Peter war doch hier gewesen.
»Kann ich ein bisschen Wasser dazu haben, bitte?«
»Natürlich«, sagte Lynne, reichte ihr ein Glas und behielt die Kapsel in der Hand. Sie schaute zu, wie Eve trank und die Kapseln hinunterspülte, die beiden rosafarbenen, die braune und die weiße, die gegen die Verstopfung wirkte, die von den rosafarbenen verursacht wurde. Lynne nahm Eve das Glas ab, als sie fertig war, spülte es aus und ließ ihre Kapsel ins Becken fallen.
»Wunderbar.« Eve wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und rülpste laut, ehe sie den Finger wieder in die Mayonnaise steckte.
Lynne stellte einen Teller mit Knoblauchbrot vor ihr ab, schützte dabei ihre Hände mit einem Geschirrtuch und kippte die ganze Schüssel mit Knoblauchmayonnaise auf die braunen, frittierten Pilze. »Das ist doch in Ordnung so, oder? Du würdest es ja sowieso machen.«
»Ist schon lange her, seit ich die bekommen habe.« Eve schob sich zwei Pilze seitlich in den Mund. »Du bist wirklich so nett. Das sieht dir gar nicht ähnlich.«
Lynne lächelte ihre Schwester an. »Iss nur, ehe sie kalt werden.«
Eve stopfte sich den nächsten Riesenchampignon in den Mund und biss kräftig zu. Ungehindert lief ihr Fett aus dem Mundwinkel, bis zum Kinn hinunter. Lynne schaute mit versteinertem Gesicht zu, während Eve zufrieden kaute und die Reste mit der Zunge aus den Zähnen bohrte. Lynne knabberte derweil zaghaft an ihrem eigenen Pilz und wandte den Blick nicht von Eves Gesicht ab.
»Ist diese Mayonnaise abgelaufen?«, fragte Eve und verzog das Gesicht, als hätte sie den zerkauten Pilz am liebsten wieder ausgespuckt. »Die schmeckt bitter.«
»Meine ist gut«, sagte Lynne gleichgültig und sah ihre Schwester unverwandt an.
»Du hast gar keine Mayonnaise auf deinem Pilz. Wie lange ist das Glas
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