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Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)

Titel: Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caro Ramsay
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Verzweiflung verströmen als der Vorraum einer Leichenhalle am Heiligen Abend. Jeder, der hier auf einem der schwarzen Plastikstühle darauf wartete, die Überreste eines nahen und geliebten Verwandten zu identifizieren, wäre vermutlich froh, dass man hier nichts von der Festlichkeit draußen merkte. Es herrschte eine stickige Wärme, und doch zog es jedes Mal bitterkalt durch, wenn die Tür aufging. Nasse Fußabdrücke bildeten einen schmalen Pfad quer durch den Raum.
    Im Innenbüro hinter der Glaswand klingelten unaufhörlich die Telefone. Mochte auch Heiligabend sein, das Personal würde wohl nicht so bald Feierabend machen können. Zwei Polizisten in Uniform standen herum und blickten alle zwei Minuten auf die Uhr, da sie zur Weihnachtsfeier ihrer Wache wollten.
    »Kommen Sie einfach durch«, sagte O’Hare.
    Costello folgte ihm und blieb stehen, weil sie sich überfallen fühlte, als sie DCI Quinn neben O’Hares Schreibtisch sitzen sah.
    »Ich habe Sie eingeladen, an der Obduktion teilzunehmen«, sagte O’Hare und deutete an, sie möge sich zu ihnen setzen.
    »Aber ich habe sie gekannt. Ich meine, ich bin ihr ein paar Mal begegnet, deshalb habe ich abgelehnt.«
    »Wie geht es Ihnen, Costello?«, erkundigte sich Quinn. »Haben Sie ein bisschen geschlafen?«
    »Nein«, antwortete sie rasch. Quinn war freundlich, und das beunruhigte Costello. »Mir geht es gut, Ma’am. Irgendwas Neues von Peter?«
    »Nein. Ich kehre sofort zur Wache zurück, wenn wir hier fertig sind.« Sie seufzte, was in letzter Zeit häufiger bei ihr vorkam. »Luca geht es besser. Miss Cotter war im Krankenhaus und glaubt, sie warte vor Troys Zimmer, und hofft, er werde von den Toten auferstehen. Niemand hat ihr etwas gesagt, weil sie keine Verwandte ist. Zuletzt haben wir gehört, sie würde durch die Gänge des Krankenhauses wandern. Sie sagt, sie wisse sonst nicht, wo sie hingehen solle. Vermutlich ist sie ziemlich durcheinander, und wen wundert’s. Die arme Alte.«
    »O nein, schrecklich.«
    Quinn seufzte wieder. »Nun ja, Jack, was haben Sie für uns? Ich bin nicht gerade scharf darauf, diesen Bericht zu schreiben.«
    O’Hare schaltete den Leuchtkasten an und klemmte einige Röntgenbilder davor. Quinn reichte Costello einen braunen Umschlag. »Sehen Sie sich das mal an.«
    Costello zog mehrere Schwarzweißbilder im DIN-A4-Format von Frances Jayne Coia heraus. Tot wirkte sie ruhig und schön, und der Kontrast zwischen dem blassen Gesicht und dem dunklen Haar wurde durch die Kamera übertrieben. Ihr Haar war nass und von Assistenten in der Rechtsmedizin zurückgestrichen worden, und Costello konnte sich vorstellen, dass die kalten Hände in ihren Handschuhen wie die eines Liebhabers durch die langen Haare geglitten waren.
    »Sie sieht so friedlich aus.«
    »Es war bestimmt Zyanid, daran besteht kein Zweifel, ich habe meine Meinung nicht geändert. Offensichtlich ist sie einfach nur ein weiteres Opfer unseres Giftmischers.«
    »Ich bin da anderer Meinung«, warf Costello ein. »Sie hat fremder Leute Kinder entführt, meine Güte, und wir sind ihr auf die Pelle gerückt – oder zumindest Vik. Ich glaube, sie …«
    »Aber Sie irren sich, Costello. Wie ich schon in ihrer Wohnung gesagt habe, wenn sie Selbstmord begangen hätte, dann hätte sie es anders angestellt. Wer immer diese Tabletten vergiftet, hat auch sie auf dem Gewissen und in der Folge auch unseren armen kleinen Troy. Dies« – er zeigte auf das Bild von Frances, während er Costello anblickte – »war Mord. Und widersprechen Sie mir nicht. Doch der Giftmischer ist nicht allein an ihrem Tod schuld.«
    O’Hare beruhigte sich und betrachtete die Röntgenbilder wieder. »Diese Knochen erzählen von einer Tragödie. Sehen Sie sich diesen Schädel an – fällt Ihnen etwas auf?«
    Costello erhob sich schwankend und sah sich die Bilder an. »Ich kann keinen Unterschied zu einem normalen Schädel entdecken.«
    »Schauen Sie hier.« Er nahm einen Kugelschreiber aus der Brusttasche und fuhr damit über die Bilder. »Und hier.« Er zeigte auf den weißen Bogen des Backenknochens. »Und hier.« Die Spitze des Kugelschreibers ging zum Kinn. »Und so weiter und so fort. Was sehen Sie?«
    »Feine weiße Linien?«
    »Genau. Alte Brüche, viele alte Brüche sogar, die nicht behandelt wurden. Die Gute dürfte im Laufe ihres Lebens einige blaue Augen gehabt haben. Und bei einem Bruch … hier …« – er zeigte darauf – »wurde ein Nerv beschädigt, was bei ihr entsetzliche

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