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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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über seine weiteren Schritte nachzudenken. Das half ihm am besten gegen die Angst, sie war das Gift. Er glaubte zu wissen, worum es ging. Es klang absurd, aber er kannte Ambers Mörder, er musste ihn kennen, nur wusste er leider nicht, wer es war. Und der oder die Mörder wussten nicht, wie viel er wusste, und waren vor der Rennbahn ein erhebliches Risiko eingegangen.
    Er überlegte, wie er mit der Familie umgehen würde. Isabella durfte von allem nichts erfahren, Sebastián auch nicht, aber Salgado. Von ihm sollte er sich Rat holen. Signora Vanzetti wollte beruhigt werden, damit sie ihren Gatten nicht mitnahm, denn Frank war der Einzige, auf den er zählen konnte. Hatte nicht Jürgen Templin etwas über Amber gesagt, etwas Wesentliches, beiläufig geäußert? Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit, hieß es. Was war es gewesen, und war Templin wirklich betrunken gewesen?
    Als Henry darum bat, ihm noch eine heiße Schokolade zu bereiten, seinen Schlaftrunk, fand der Nachtportier mehrere Nachrichten für ihn auf seinem Rechner. Eine Frau Peñasco hatte mehrmals angerufen und auch ein Kapitän Salgado, mit dem Vornamen Maria? Ja, sagte Henry, sein Freund heiße José Maria Salgado und sei nicht Kapitän, sondern Hauptmann der spanischen Zivilpolizei. Die Gründe für die Anrufe waren nicht mitgeteilt worden, aber jeder hatte mindestens dreimal angerufen.
    Es war wie immer zu spät für irgendeinen Rückruf, und nach der heißen Schokolade, die ein guter Geist ihm brachte, und nachdem er den Schreibtisch und einen Sessel vor die Tür gerückt hatte, um nicht mit einer Kugel im Kopf aufzuwachen, schlief Henry fast auf der Bettkante ein.
     
    Das Aufstehen war eine Katastrophe. Alles tat weh, sogar die Backenzähne. Nur einmal war Henry etwas Ähnliches passiert, da hatten ihn nachts in La Rioja auf einer Landstraße sechs Männer verprügelt. Hier hatte ein einziger Stoß gereicht, ihn ins Krankenhaus zu schicken.
    Es war der letzte Tag dieser unvergesslich bleibenden Baden-Baden Wine Challenge. Während das heiße Wasser der Dusche wie bei einer Taufe an seinem Körper herunterlief, schwor sich Henry, nie wieder an irgendeinem Weinwettbewerb teilzunehmen, egal wo auf dieser Welt, weder in diesem Leben noch in einem anderen. Und als er sich an Mendoza erinnerte, vergaß er das Wasser, vergaß er, dass er unter der Dusche gestanden hatte, er meinte Mendoza mit schadenfrohem Grinsen unter den Schaulustigen gesehen zu haben, und die Wut darüber ließ ihn seine Schmerzen vergessen.
    Saldgado wird mehr über den Säureattentäter wissen, dachte Henry, sonst hätte er nicht angerufen. Aber als er auf die Uhr sah, entschloss er sich, den Anruf bei ihm auf die erste Verkostungspause zu verschieben. Er durfte die anderen nicht aufhalten und erneut für Unmut sorgen. Er rückte seine Barrikade beiseite und vergewisserte sich, dass sich niemand auf dem Flur befand. Er hatte keine Angst mehr, sie war dem sonnigen Morgen gewichen. Er versuchte, so unauffällig wie möglich gleich am Eingang des Frühstücksraums einen Platz zu ergattern, mit Blick auf den Eingang, und fragte sich, ob es sinnvoll sei, Neureuther um Personenschutz zu bitten. Doch der beste Schutz hier war die Öffent lichkeit , waren die anderen Juroren.
    Als einer der Letzten betrat Henry den Verkostungssaal, er versuchte, ohne Stock zu gehen. Ein anderer Verlagsmitarbeiter als Koch stellte heute den Referenzwein vor. Also war ihm tatsächlich gekündigt worden? Das ließ sich überprüfen, wozu hatte man schließlich seinen Hacker? Jeder sollte einen haben, ganz demokratisch. Aber so einfach war das auch wieder nicht, dann könnte der seinen nächsten Newsletter lesen, bevor er überhaupt abgeschickt wurde, seine Korrespondenz mit den Weingütern und seine Liebesbriefe. Nein, die nicht, die schrieb er ganz altmodisch mit einem Füllhalter.
    Der Zander quengelte wieder, doch Josephine Rider rief ihn zur Ordnung, und niemand am Tisch nahm länger Notiz von seinen Einwürfen. Sie begannen mit Weißweinen, die allesamt ordentlich gemacht waren. Danach folgten dreizehn Rotweine, die Henry keiner Region zuordnen konnte, jedenfalls waren drei Dornfelder darunter, höchstwahrscheinlich Württemberger.
    In der Pause kam Marion Dörner, bemitleidete Henry für seinen Unfall, kühl und ohne wirkliche Anteilnahme, und bat ihn, mit zu Heckler zu kommen, »falls es dein Zustand erlaubt. Die anderen Juroren«, sie warf einen Blick über den Tisch, »werden sicher gern auf dich

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