Sein letzter Fall - Fallet G
eine Leiche. Van Veeteren hatte keine Probleme, den ersten Satz mit 15:10 nach Hause zu holen, und beim Stand von 10:3 im zweiten Satz war Münster gezwungen, das Handtuch zu werfen, nachdem er wie ein waidwundes Reh von seinem schonungslosen Gegner von einer Ecke in die andere gejagt worden war.
»Was mich betrifft, so bin ich in ziemlich guter Form«, erklärte Van Veeteren bescheiden, während er seinem geschlagenen Gegner auf dem Weg zum Umkleideraum eine helfende Hand anbot. »Aber das brauche ich vielleicht gar nicht zu erwähnen.«
Münster keuchte schwer, gab aber keine Antwort. Van Veeteren suchte einen Moment lang nach irgendwelchen tröstenden Worten, fand aber keine und ließ es also darauf beruhen. Sie duschten, zogen sich um und ließen sich in der Cafeteria nieder, um ein Bier beziehungsweise ein Wasser zu trinken und sich über Maarten Verlangen zu unterhalten.
»Was hältst du davon?«, wollte Van Veeteren wissen. »Kann da etwas dahinter stecken?«
Seit Belle Vargas’ Besuch im Antiquariat waren drei Tage vergangen, und Verlangen war noch genauso verschwunden wie vorher. Münster trank einen halben Liter Eiswasser und schaute zögernd drein.
»Soweit ich es verstanden habe, ist gar nichts davon zu halten«, sagte er. »Wir haben ein paar Nachforschungen hinsichtlich Hennan betrieben, genau wie der Hauptkomm … wie du uns gebeten hast… oder besser gesagt, wir
haben versucht
, ein paar Nachforschungen anzustellen.«
»Ja, und?«
»Es ist nicht das Geringste dabei herausgekommen, obwohl Krause sich fast die Finger am Computer wund gehackt hat. Er ist nicht gerade der Typ, der eine eigene Homepage hat, dieser Hennan.«
»Das kann ich mir denken«, sagte Van Veeteren.
»Offenbar hat er das Land ein paar Monate nach dem Prozess verlassen… also 1987. Natürlich erst, nachdem er das Geld von der Versicherung bekommen hat, und… ja seitdem haben wir nicht einmal den Schatten von ihm gesehen. Buenos Aires oder Kalkutta oder Oslo? Er kann sich überall auf der Welt befinden, da kann man nur raten.«
»Nein, danke«, brummte Van Veeteren. »Wahrscheinlich hat er auch noch ein paar neue Ehefrauen gefunden… es sind ja inzwischen fünfzehn Jahre vergangen. Und was Verlangen betrifft, sieht es ebenso finster aus, wie ich vermute?«
Münster schenkte sich Wasser ein und atmete schwer.
»Sicher. Obwohl er sich bestimmt nicht in Kalkutta befindet. Krause hat diese Zugabfahrtszeit überprüft, oder was es nun immer war…«
»Das war eine Zugabfahrtszeit«, bestätigte Van Veeteren. »Vielleicht auch von einem Bus, aber das halte ich nicht für wahrscheinlich. Flugzeuge starten immer auf runde fünf Minuten. Zumindest von Sechshafen… auf jeden Fall haben sie die Absicht, was nicht immer dasselbe ist. Aber was soll’s, wir sagen, es ist ein Zug.
»Von mir aus gern«, sagte Münster. »Wie dem auch sei, so gibt es keinen Zug, der Maardam um 14.42 Uhr verlässt. Auch keinen, der um diese Uhrzeit ankommt, übrigens… auf jeden Fall nicht laut Fahrplan.«
Er suchte in der Innentasche und holte einen Umschlag hervor.
»Aber wo wir schon einmal mit Computern ausgerüstet sind…«
Er überreichte Van Veeteren den Umschlag.
»Was ist das?«
»Eine Aufstellung«, erklärte Münster. »Wie von dir gewünscht, haben wir uns auf den Zugverkehr konzentriert. Auf dem einen Blatt hast du alle Bahnhöfe im Land, von denen ein Zug um achtzehn Minuten vor drei abfährt. Auf dem anderen die, an denen einer zu dem Zeitpunkt ankommt.«
Van Veeteren holte die Blätter heraus, entfaltete sie und starrte ungläubig auf die aufgelisteten Bahnhofsnamen.
»Das ist ja…«, sagte er. »Und was soll ich damit anfangen?«
Münster breitete die Arme aus.
»Das weiß ich auch nicht. Aber es hat höchstens eine Minute gedauert, um das herauszukriegen, behauptet Krause. Ja, so weit sind wir bisher gekommen.«
»Trink dein blödes Wasser aus und lass uns zusehen, dass wir hier wegkommen«, sagte Van Veeteren.
Ein paar Tage später, an einem Dienstagmorgen Anfang Mai – und nachdem er sich drei Nächte nacheinander mit Träumen abgekämpft hatte, in die G. auf die eine oder andere Weise verwickelt war –, reichte es ihm. Er rief Belle Vargas an und bat um ein neues Treffen. Es gab irgendwie keine andere Lösung.
Wie sich herausstellte, arbeitete sie als Physiotherapeutin in einer privaten Praxis nur ein paar Straßen von der Kupinski-Gasse entfernt und hatte zwischen zwölf und ein Uhr Mittagspause.
Van Veeteren
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