Sein letzter Fall - Fallet G
Elizabeth Nolan schien es nicht besonders eilig zu haben, ihren Mann zu treffen.
Das Hafencafé war noch geöffnet. Münster fragte Inspektorin Moerk, ob sie nicht ein Bier trinken wollte, und das wollte sie.
»Frag mich bloß nicht, was ich glaube«, bat er sie, als sie von der Bar kamen und ihre beiden Gläser auf den Tisch gestellt hatten. »Alles, aber nicht das.«
Beate Moerk betrachtete ihn mit leichter Verwunderung und trank einen Schluck.
»Ich kann ja sagen, was ich selber glaube«, sagte sie.
»Aber gern«, nickte Münster.
Sie machte eine kleine Pause.
»Es würde mich wundern, wenn sie lügen würde.«
Münster erwiderte nichts.
»Es würde mich dagegen
nicht
verwundern, wenn sich herausstellt, dass Christopher Nolan ausschließlich mit Christopher Nolan identisch ist.«
Münster lehnte sich zurück und schaute zur Decke.
»Du willst damit andeuten, dass der
Kommissar
sich geirrt haben könnte?«
Sie zögerte eine Weile mit ihrer Antwort.
»Ich spreche nur von meiner spontanen Reaktion. Was glaubst du selbst denn?«
»Das war genau die Frage, die du bitte vermeiden solltest«, antwortete Münster und hob sein Glas zum Mund.
»Ach ja, natürlich«, sagte Inspektorin Moerk. »Na, jedenfalls prost. Schön, dich wiederzusehen.«
42
Und?«, fragte Van Veeteren. »Was sagen sie?«
Bausen blieb eine Weile mit der Hand auf dem Telefonhörer stehen. Sein Blick war aus dem Fenster gerichtet, so dass Van Veeteren nichts aus seinem Gesichtsausdruck lesen konnte.
»Sie sind unsicher.«
»Unsicher?«
»Ja, offensichtlich. Oder besser gesagt scheint Frau Nolan nichts Bemerkenswertes zu wissen. Sowohl Moerk wie auch Münster behaupten, sie hätte einen äußerst überzeugenden Eindruck gemacht. Sie hat auch einige Informationen liefern können… sie haben schon eine Anfrage nach England geschickt.«
Van Veeteren nickte und betrachtete das Schachbrett. Sie hatten draußen eine Partie begonnen, waren aber gegen halb neun ins Wohnzimmer umgezogen, als eine Regenfront aus dem Nordwesten heraufgezogen war. Bausen hatte ein einfaches Ratatouille mit Basmatireis gekocht, und dazu hatten sie seine unwiderruflich letzte Flasche 82er St.-Emilion bis auf wenige Tropfen geleert.
Gruyèrekäse mit Birnenscheiben als Dessert.
»Keine beneidenswerte Position«, stellte der
Kommissar
fest, als Bausen sich wieder am Tisch niedergelassen hatte. »Die von Frau Nolan, meine ich. Sie ist ja irgendwie etwas paradox.«
»Wie meinst du das?«, fragte Bausen.
Van Veeteren verzog das Gesicht.
»Auch wenn wir ihn nicht schnappen können, können wir zumindest dafür sorgen, dass seine Ehe zerbricht. Schließlich hat er sie hinters Licht geführt, und das macht er seit dreizehn Jahren… es gibt nicht viele Frauen, die so ein Benehmen akzeptieren. Zumindest nicht nach meiner Erfahrung.«
Bausen gab keine Antwort. Er saß nur schweigend da und trommelte mit den Zeigefingern auf die Sessellehnen. Van Veeteren drehte sich eine Zigarette und betrachtete ihn mit fragendem Blick.
»Was ist los mit dir?«, fragte er schließlich. »Du siehst besorgt aus.«
Bausen beugte sich über den Tisch, als wollte er den nächsten Zug machen.
»Der Polizeichef hat mich gebeten, dich etwas zu fragen«, sagte er dann.
»Ja, und was?«
»Nolan betreffend.«
»Ja?«
»Hrrm. Seine Identität betreffend. Wie sehr du davon überzeugt bist, dass es wirklich Hennan ist.«
Van Veeteren erstarrte. Irgendwie langsam und wie in Zeitlupe, er spürte es selbst.
Als ob sich Eis auf einen Dezembersee legt, dachte er. Oder als ob Blut gerinnt. Was zum Teufel geht hier vor?, fragte er sich und blieb mit seiner unangezündeten Zigarette im Mund sitzen, während er Bausen über das Schachbrett hinweg betrachtete. Er hätte nicht sagen können, wer von ihnen beiden am meisten beunruhigt war. Es vergingen einige Sekunden. Bausen schob einige Spielsteine zurecht, machte aber keinen Zug. Wich Van Veeterens Blick aus.
»Das steckte also hinter der Unsicherheit?«, fragte Van Veeteren.
Bausen vollführte eine zweideutige Bewegung mit den Händen, sagte aber nichts.
»Dass sie an dem zweifeln, was ich gesagt habe?«
»Leider.«
»Zweifelst du an meinem Urteil?«
Bausen versuchte ein vorsichtiges Lächeln.
»Man muss ja nicht…«
Er brach ab.
»Verdammte Scheiße«, sagte Van Veeteren und leerte sein Glas.
So sollte man nicht die letzten Tropfen eines 82er St. Emilion konsumieren, dachte er. Das ist Blasphemie.
»Auf jeden Fall hat er mich
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