Sein letzter Fall - Fallet G
Vielleicht hätten wir ihn nie zur Strecke gebracht, aber auf jeden Fall ist es uns gelungen, seine Ehe kaputt zu machen.«
»Mit anderen Worten hatte er Angst, hart drangenommen zu werden«, meinte Rooth nachdenklich. »Das können wir immerhin feststellen. So ein Schwächling.«
Der Polizeichef blätterte in seinen Notizen.
»Was die Frage betrifft, wie er… wie er uns auf die Spur gekommen ist«, sagte er zögerlich, »so gibt es dafür natürlich verschiedene Theorien. Trotz allem stand er ja Van Veeteren zweimal Aug in Aug gegenüber… du hattest nicht das Gefühl, dass er erkannt hat, wer du bist?«
Van Veeteren faltete die Hände im Nacken und schloss ein paar Sekunden lang die Augen, bevor er antwortete.
»Ich kann es nicht sagen«, erklärte er dann. »Aber eins kann ich euch sagen, während all meiner Jahre in diesem Geschäft habe ich noch nie einen so jämmerlichen Abgang erlebt. Noch niemals.«
»Was sonst war von so einem Prachtarschloch wie G. denn zu erwarten?«, fragte Rooth. »Wenn man alles in Betracht zieht, war es vielleicht sogar typisch für ihn.«
Danach schien keiner mehr etwas zu sagen zu haben, und da die Uhr auf elf zuging, schlug Polizeichef deKlerk vor, dass sich alle Betroffenen am Sonntagnachmittag für eine erneute Lagebesprechung treffen sollten.
»Und Elizabeth Nolan?«, fragte Beate Moerk.
»Ich werde mich um sie kümmern«, erklärte deKlerk. »Außerdem werden wir morgen noch weitere Informationen aus der Gerichtsmedizin erhalten. Und hoffentlich eine Antwort aus England… auch wenn das keine große Rolle mehr spielen sollte. Wir müssen diese Sache hier ordentlich zu einem Ende bringen, wie es sich gehört. Lose Fäden verknüpfen. Oder?«
»Aber natürlich«, sagte Rooth. »Am Montag fahren wir aber auf jeden Fall nach Hause. Ich sehne mich nach meinen Haustieren.«
»Du hast Haustiere?«, wunderte Münster sich. »Ich dachte, du wärst dein Aquarium losgeworden?«
»Milben und Staubmäuse«, informierte Inspektor Rooth die Kollegen freundlich.
Der Himmel war hoch und sternenklar, als sie auf den Marktplatz hinaustraten, und er erklärte Bausen, dass er einen Spaziergang brauche. Bausen sah für einen Moment so aus, als wollte er irgendwelche Einwände anbringen, dann zuckte er jedoch mit den Schultern und stieg ins Auto.
»Wir sehen uns beim Frühstück«, sagte er, bevor er die Tür zuzog. »Weck mich, wenn du gute Ratschläge brauchst.«
»Danke«, erwiderte Van Veeteren. »Ich werde morgen auf jeden Fall nach Hause fahren.«
»Du kannst bleiben, so lange du willst.«
»Ich weiß. Aber das hier scheint ja jetzt zu Ende zu sein. Fahr du nach Hause, geh ins Bett und schlaf gut.«
Bausen nickte und fuhr los. Van Veeteren blieb stehen und sah die Rücklichter oben bei der Molkerei an der Doomstraat verschwinden. Er zögerte einen Augenblick, dann ging er los, in Richtung Leisnerpark und Blaue Barke.
Ich könnte ein Bier vertragen, dachte er.
Ich könnte zwei Bier vertragen.
Es ist aber auch zu dumm, dass ich nicht einmal mit Bausen reden kann.
Die Blaue Barke war relativ gut gefüllt – ihm fiel ein, dass ja schließlich Samstagabend war –, aber es gelang ihm dennoch, einen Tisch für sich allein in dem kleinen Durchgang zwischen der Bar und dem Restaurant selbst zu ergattern.
Er bestellte ein dunkles Bier und zündete sich eine Zigarette an, während er gleichzeitig überlegte, wie viele er eigentlich seit der Nachricht von G.s Tod am Nachmittag geraucht hatte. Es müssen über zehn gewesen sein, dachte er. Verflucht noch mal, morgen höre ich endgültig auf.
Es fiel ihm immer noch schwer, die Gefühle und Gedanken, die ihn durchrasten, in den Griff zu bekommen.
Es fiel ihm schwer, die Tatsache zu akzeptieren.
G. war tot.
Er hatte sich in die Badewanne gelegt, sich die Handgelenke aufgeschnitten und den Kampfplatz verlassen. Tot!
Das war, als ob… er wusste nicht, wie es eigentlich war.
Ein Gegner, den es plötzlich nicht mehr gab?
Ein Schachspieler, der nicht zum Brett kam, obwohl die Partie noch andauerte? Nur weil er keine Lust mehr hatte?
Schlechte Metaphern, das war ihm selbst klar, aber er fand keine anderen, um diese eigenartige, sterile Empörung zu beschreiben, die er empfand.
Das letzte Kapitel im Fall G.? Dass das auf diese Art und Weise geschrieben werden sollte! Er hatte äußerst diffuse Bilder dahingehend, welche Alternative ihm denn eigentlich vorgeschwebt hatte, aber eine Sache war klar. Alles, nur nicht das hier.
Es
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