Sein letzter Fall - Fallet G
Aufenthalts in Kaalbringen gewohnt hatten –, und sie waren gerade am Überlegen, ob sie aufs Zimmer gehen oder ein Bier in der Bar trinken sollten, als Münsters Handy klingelte.
Rooth ging zur Toilette, und als er zurückkam, war Münster bereits mit dem Gespräch fertig.
»Wer war das?«, wollte Rooth wissen.
Münster stand mit dem Handy in der Hand da und sah leicht verwirrt aus.
»Ulrike«, sagte er. »Das war Ulrike Fremdli, die Frau, mit der Van Veeteren zusammenlebt. Sie fragte, ob ich wüsste, warum er nicht nach Hause gekommen ist.«
»Ach ja?«, sagte Rooth. »Warum…?«
»Er hat ihr gesagt, dass er gegen fünf Uhr aus Maardam zurück sein würde…. jetzt ist es gleich halb acht, und er geht offenbar nicht an sein Handy.«
»Ach so«, sagte Rooth. »Hast du sie mal getroffen, diese Ulrike Fremdli? Ich habe immer nur von ihr reden gehört.«
»Doch, ich habe sie mal kennen gelernt.«
»Ist sie eine nette Frau?«
»Sehr, sehr nett«, sagte Münster. »Ich frage mich nur .. nun ja, dafür gibt es sicher eine ganz logische Erklärung.«
»Sicher«, bestätigte Rooth. »Und, trinken wir jetzt ein Bier?«
46
Als Van Veeteren seinen Wagen in der Wackerstraat geparkt und den Motor abgestellt hatte, kamen ihm plötzlich Zweifel.
Er blieb sitzen, trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad und versuchte zu begreifen, woher sie kamen. War es eine Art Intuition oder nur ein Zeichen ganz normaler Ambivalenz?
Er entschied sich für Letzteres und stieg aus dem Wagen. Registrierte, dass Frau Nolans silberfarbener Japaner auf der Garagenauffahrt stand und dass alles ganz friedlich aussah. Die Sonne war durch die grauweiße Wolkendecke des Vormittags gestoßen, und auf einem Nachbargrundstück war ein übergewichtiger Mann in den Sechzigern dabei, den Rasen zu mähen. Das scharfe Geräusch des Rasenmähers schwebte wie ein hartnäckiger Virus über dem Villengebiet.
Frau Nolan öffnete nach einer halben Minute. Sie trug schwarze Jeans, eine ebensolche Tunika, und sie sah ihn mit Augen an, die nicht wirklich anwesend zu sein schienen.
»Ja?«
»Entschuldigen Sie bitte. Mein Name ist Van Veeteren. Ich komme aus Maardam, und ich habe Ihren Mann früher gekannt. Könnten Sie sich vorstellen, mit mir ein kurzes Gespräch zu führen?«
Sie musterte ihn von oben bis unten. Fuhr sich mit einer Hand durch das dunkle Haar, es war überraschend dick im Hinblick darauf, dass sie die fünfzig überschritten haben musste, dachte er.
»Sie wissen, was passiert ist?«
»Ja. Mein Beileid.«
Sie nickte und ließ ihn herein. Er vermutete, dass sie irgendwelche beruhigenden Medikamente im Krankenhaus bekommen hatte. Ihre Art zu sprechen und sich zu bewegen – mit einer Art mechanischer Verhaltenheit – deuteten daraufhin.
»Bitte schön.«
Sie führte ihn ins Wohnzimmer, und er setzte sich in einen weinroten Sessel mit gelben Schondeckchen auf den Armlehnen.
»Wie heißen Sie noch?«
»Van Veeteren.«
Sie sank ihm gegenüber auf ein Sofa. Schlug umständlich ein Bein über das andere und kniff den Mund zu einem dünnen Strich zusammen.
»Und was wollen Sie? Ich habe keine…«
Sie beendete den Satz nicht. Van Veeteren spürte einen kurzen Nachschlag des Zögerns, wappnete sich dagegen und ließ ihn vorbeiziehen.
»Ihr Mann… ich gehe davon aus, dass die Polizei Ihnen erzählt hat, wer er eigentlich war.«
Sie machte eine unbestimmte Bewegung mit dem Kopf, er konnte nicht sagen, ob sie nun bestätigend oder verneinend sein sollte.
»Dass er eigentlich Jaan G. Hennan hieß und dass er eine Vergangenheit hatte, von der Sie nichts wissen.«
»Was wollen Sie?«, fragte sie. »Sind Sie auch von der Polizei? Ich denke nicht, dass ich…«
»Gewesen«, unterbrach Van Veeteren sie. »Und in dieser Beziehung hatte ich einiges mit Ihrem Mann zu tun.«
Sie runzelte die Stirn.
»Ich verstehe nicht.«
»Sie sind doch vor kurzem von zwei Polizeibeamten befragt worden, nicht wahr? In Ihrer Galerie.«
»Das stimmt. Und was hat das…?«
»Welche Schlussfolgerungen haben Sie daraus gezogen?«
»Schlussfolgerungen? Warum sollte ich irgendwelche Schlussfolgerungen daraus ziehen?«
»Sie müssen sich doch darüber so Ihre Gedanken gemacht haben?«
»Sicher habe ich mir meine Gedanken gemacht…«
Er wartete auf die Fortsetzung, aber es kam keine. Stattdessen lehnte sie sich im Sofa zurück und zündete eine Zigarette an.
Wie abgestumpft ist sie eigentlich?, dachte er. Er beschloss, es mit ein wenig gröberer Munition
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