Sein letzter Fall - Fallet G
verständliche und berechtigte Reaktion, oder etwa nicht? Dieses Gefühl, dass es einfach gemein war.
Gleichzeitig gab es ja die Tatsache, dass sie den alten Mordfall nicht gelöst hatten. Wie es eigentlich dazu gekommen war, dass Barbara Hennan auf dem Grund dieses Swimmingpools in Linden landete – dieses Geheimnis hatte G. mit sich ins Grab genommen. Dass er es gewesen war, der den armen Maarten Verlangen erschossen hatte, davon konnten sie wohl ausgehen, aber wie man es auch drehte und wendete, der Linden-Mordfall war ungelöst. Und würde es wohl auch bleiben, wie anzunehmen war. Für alle Zeiten.
Eigentlich war es wohl kaum ein Rätsel, ging Münster weiter mit sich zu Rate, während Rooth mit halb geschlossenen Augenlidern neben ihm hockte. Hennan hatte einen Mörder gedungen, sie hatten ihn nie erwischen können, und jetzt, wo sein Auftraggeber von dieser Welt verschwunden war, konnte dieser Mörder sich natürlich sicher fühlen, niemals entdeckt zu werden.
Aber das brachte diese Branche wohl mit sich. Gewisse Verbrecher bekam man nie zu fassen, und gewisse Fragen wurden nie beantwortet. Das war ärgerlich, aber man musste lernen, damit zu leben.
»Vielleicht ist es auch nur dieser Kretin G., der mich so irritiert«, knüpfte Rooth an seinen früheren Gedanken an. »Weißt du, was ich am liebsten mit dem machen würde?«
»Nein«, antwortete Münster.
»Na, das Gleiche wie mit Jesus.«
»Jesus?«
»Ja. Ihn für ein paar Tage wiederauferstehen lassen. Ihn dann ohne jede Gnade verhören und anschließend wieder unter die Erde bringen. Einfach nur, um diesen Satan zu quälen. Das geschähe ihm recht.«
Interessante Bibelinterpretation, dachte Münster und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
»Eine gute Idee«, sagte er. »Jedenfalls stehst du zu deinen abscheulichen Motiven, das ist gut.«
»Ich bin ein ziemlich abscheulicher Mensch«, seufzte Rooth. »Im tiefsten Inneren. Ich weiß, dass mein ritterliches Auftreten die Menschen blenden kann, aber wenn ich ehrlich bin, so ist es doch so, dass…«
Die Kellnerin kam mit der Rechnung, und Rooth unterbrach seine Selbstbekenntnisse. Sie bezahlten und verließen das Restaurant. Im Fahrstuhl auf dem Weg zu ihren Zimmern nahm sich der Inspektor noch einmal das Unterbewusstsein vor.
»Weißt du, diese Sache, an die ich mich nicht mehr erinnern kann«, sagte er. »Es muss etwas damit zu tun haben, als wir ihn gefunden haben… als wir in Nolans Villa gelaufen sind, meine ich.«
»Wieso?«, wollte Münster wissen. »Warum muss es damit was zu tun haben?«
»Wie du selbst gesagt hast. Das war doch das einzige Mal in dieser Woche, dass wir es eilig hatten.«
Münster überlegte, gab aber keinen Kommentar dazu ab.
Stattdessen gähnte er, schloss seine Tür auf und wünschte Inspektor Rooth schöne Träume.
48
Er kam wieder zu Bewusstsein.
Wachte nicht richtig auf, die Außenwelt schob sich nur wie ein dünner Streifen in sein Gehirn. Mehr war es nicht.
Vielleicht war es auch gar nicht die Frage irgendeiner Außenwelt. Vielleicht waren es nur Reflexe seines eigenen Körpers, spröde, ungeschliffene Signale in der Dunkelheit und Trägheit. Sein Kopf schmerzte. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. Die Müdigkeit in Armen und Beinen war betäubend.
Er lag auf einer Art hartem Sofa in einer Stellung, die schrecklich unbequem war.
Auf der linken Seite. Die Hände fest auf dem Rücken zusammengebunden. Die Füße ebenfalls zusammengebunden. Die Fußknöchel schrammten aufeinander. Der grobe Stoff roch nach Staub, eine Woge von Übelkeit stieg in ihm auf.
Dunkel. Er öffnete die Augen für den Bruchteil einer Sekunde einen Millimeter weit und sah, dass es außerhalb von ihm ebenso dunkel war wie in ihm.
Er sank zurück.
Eine gewisse Zeit später wachte er wirklich auf. Müdigkeit hing immer noch an ihm, aber die Frau stand in einer hellen Türöffnung und sprach mit ihm.
Sagte ihm etwas, gab ihm Anweisungen.
Kam zu ihm und stellte etwas auf den Tisch, direkt vor seinem Gesicht.
»Kaffee.«
Das war das erste Wort, das er erfassen konnte.
»Setz dich hin. Trink den Kaffee.«
Er öffnete die Augen, schloss sie wieder. Das tat weh. Er sog den Kaffeeduft mit den Nasenflügeln auf.
»Setz dich hin.«
Das erschien einfach lächerlich unmöglich, aber als er das Manöver dennoch ausführte, weckten ihn die Schmerzen im Steißbein.
»Ich kann nicht…«
Die Stimme versagte, er begann noch einmal.
»Ich kann nicht mit auf dem Rücken gefesselten
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