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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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Hilfe zu ihm gekommen, und er hatte nicht die Bohne ausgerichtet, jetzt war sie tot, und er hatte das Problem der Polizei anvertraut. Wie immer es sich verhalten mochte, so war das kein ehrenhafter Abgang.
    Ach, scheiß drauf, dachte er. Ich bin nun einmal ein elender Stinkstiefel.
    Das dritte Gefühl war von trivialer, alltäglicher Art. Er hatte Durst. Sehnte sich infernalisch nach einem großen Bier, und bevor er mit dem Wagen zurück nach Maardam fuhr, kehrte er in Henrys Bar ein und sah zu, dass zumindest dieses Ungleichgewicht wieder ins Lot kam.
    Immerhin etwas, dachte er. Eins nach dem anderen.
    Direktor Kooperdijk von der Versicherungsgesellschaft F/B Trustor erinnerte an einen kleinen Stier.
    Außerdem erinnerte er – fast zum Verwechseln – an Verlangens ehemaligen Schwiegervater. Er hatte immer ein Gefühl des Unbehagens empfunden, wenn er versucht hatte, der Kraft in den stahlblauen Augen zu begegnen. Der ganze Kerl strahlte so viel Energie aus, dass sie förmlich zu explodieren schien. Ab und zu musste sie sich in Form von Aggressivität oder Verhöhnung Luft schaffen. Eine Art Sicherheitsventil, wie Verlangen zu denken pflegte. Ganz einfach, damit sie nicht überkocht. Genauso hatte es sich mit Marthas Vater, diesem Kraftpaket, verhalten; wenn es etwas gab, was er nach der Scheidung absolut nicht vermisste, dann waren es die Konfrontationen – und die kaum verdeckten Anspielungen hinsichtlich seiner Unzulänglichkeit und Nachlässigkeit – in Zusammenhang mit den obligatorischen monatlichen Sonntagmittagessen in der großen Villa in Loewingen. Immerhin etwas Gutes.
    Aber Direktor Kooperdijks Pistolenmündungsblick über den Schreibtisch hinweg in dem luxuriösen Büro am Keymer Plejn weckte jedes Mal eine Erinnerung daran.
    Wie auch jetzt wieder. Es war halb drei Uhr am Nachmittag; Verlangen war eine Viertelstunde zu spät gekommen, er schob die Schuld auf Parkprobleme im Zentrum, da es taktisch unklug wäre, zuzugeben, dass das Bier bei Henry’s schuld an seiner Verspätung war.
    »Setzen Sie sich«, sagte Kooperdijk. »Wir haben ein Problem.«
    Verlangen setzte sich auf den niedrigen Stuhl gegenüber dem Schreibtisch. Der Stuhl des Direktors war mindestens fünfzehn Zentimeter höher, was natürlich kein Zufall war.
    »Ein Problem?«, wunderte Verlangen sich und warf zwei Halspastillen in den Mund. »Was für ein Problem?«
    »Genauer gesagt zwei«, erklärte Kooperdijk.
    »Aha?«, sagte Verlangen.
    »Das erste betrifft Ihre Arbeit.«
    »Meine Arbeit?«
    »Ihre so genannte Arbeit bei uns, ja. Wir fangen an, unser Arrangement zu überdenken. Das Ganze lässt um einiges zu wünschen übrig.«
    »Meiner Auffassung nach war es doch zu Ihrer Zufriedenheit«, widersprach Verlangen.
    »Was wohl zu diskutieren wäre.«
    »Ich verstehe nicht ganz«, gab Verlangen zu. Komm zur Sache, du kleines Arschloch, dachte er.
    »Ich kann mir denken, dass das Meiste zu Ihrer Zufriedenheit war«, führte Kooperdijk aus und faltete die Hände vor sich auf dem Schreibtisch. »Aber nicht immer zu unserer.«
    »Zum Beispiel?«, wollte Verlangen wissen.
    »Die Sache Westergaade«, sagte Kooperdijk. »Nicht besonders geglückt. Diese Geschichte mit der Anwaltskanzlei. Absolut nicht geglückt.«
    Verlangen dachte nach.
    »Man kann nicht erwarten, dass ich Hunde aufspüre, wo gar keine Hunde begraben sind«, sagte er.
    »Nein, kann man das nicht?«, fragte Kooperdijk, ohne das Gesicht zu verziehen. »Auch das ist eine Meinung, die zu diskutieren wäre. Und dann wäre da noch der persönliche Lebenswandel.«
    »Wie bitte?«, fragte Verlangen und versuchte sich auf dem Stuhl aufzurichten, um zumindest in Augenhöhe mit der Schreibtischplatte zu kommen. »Mein persönlicher…?«
    Kooperdijk lehnte sich auf den Ellbogen nach vorne.
    »Frau Donk, eine unserer Ermittlerinnen, hat Sie vor zwei Wochen im Oldener Maas gesehen. Das war nicht gerade zu Ihrem Vorteil.«
    Verlangen schwieg.
    »›Breit wie eine Haubitze‹, wie sie sagte. Sie wollten ihre Freundin an der Bar angrabschen.«
    Weshalb sonst sitzen Frauen denn an der Bar?, dachte Verlangen und sank zurück auf seinen Stuhl. Wenn nicht, um begrabscht zu werden?
    »Das muss ein Missverständnis gewesen sein«, sagte er.
    »Natürlich«, stimmte Kooperdijk zu. »Ist nur die Frage, wessen.«
    Verlangen schloss die Augen für eine Sekunde und überlegte, ob er nicht einfach aufstehen und gehen sollte. Plötzlich wünschte er sich, auf einer griechischen Insel zu sein. Obwohl –

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