Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
sie lernte er noch etwas Drittes kennen.
    Den weiblichen Defekt. Dieses schrecklich Unbegreifliche. Dass eine schöne, begabte, geliebte junge Frau so einem Stinkstiefel verfallen konnte, der es nicht wert war, die Erde zu küssen, auf der sie ging und stand.
    Und die Tür zum Zimmer der Liebe wurde geschlossen. Mehrere Jahre später traf er sie aus reinem Zufall, fasste überstürzt Mut, sie zu fragen, warum sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, sie ihm zu öffnen. Die Tür der Liebe. Oder konnte sie diese Tür jedem öffnen? War es so einfach?
    Sie sprachen ziemlich lange miteinander. Sie weinte und erklärte, dass sie alles bereute. Dass G. sie sehr schlecht behandelt hatte. Er hatte sie geschwängert und dann verlassen. Nach der Abtreibung glaubte auch sie nicht mehr an das Zimmer der Liebe. Sie sagte – und er glaubte ihr –, dass sie sich wünschte, sie wären zusammen geblieben und sie hätte niemals G. getroffen. Aber da war es zu spät. Renate war im siebten Monat, und die Lage war nicht mehr wie früher.
    So. Ungefähr so konnte es in Worte gefasst werden. Es war nicht einmal besonders Aufsehen erregend. Wahrscheinlich ein höchst ordinäres Lebensmelodram. Ein Stück Erfahrung, wie sie jeder mit sich in seinem Rucksack trägt, und vielleicht war genau dieser Aspekt das Traurigste daran.
    Er schaute auf die Uhr. Viertel nach zwölf. Erich hatte nicht angerufen, Renate auch nicht. Bartók ging zu Ende, aber er machte sich nicht die Mühe, vom Sessel aufzustehen und etwas anderes aufzulegen. Trank stattdessen sein Glas leer und versuchte, Christa Koogel aus seinem Gedächtnis zu spülen. Oder sie auf den Platz zu schieben, auf den sie gehörte. Alternative Lebenswege, die nicht beschritten worden waren. Geschlossene Räume.
    Zurück blieb G.
    Zurück blieb Jaan G. Hennan.
    Wie eine Art makabrer Inkarnation der verschiedensten Teufeleien und alter Lebenssünden. Das Böse in Person. Ein Mensch ohne mildernde Umstände.
    Ich hasse ihn, dachte er plötzlich. Wenn es einen Menschen auf der Welt gibt, den ich hasse, dann ist es G. Ich könnte ihn verbrennen, wie man eine Kakerlake verbrennt. Ja, wirklich. Er blieb noch eine halbe Stunde im Dunkeln sitzen. Anschließend fasste er einen Entschluss und ging ins Bett.

20
    Polizeipräsident Hiller war nervös.
    Das war aus einer ganzen Reihe kleiner Zeichen zu ersehen, die Münster problemlos deuten konnte. Nach jedem zehnten Wort befeuchtete er die Lippen mit der Zungenspitze. Er knipste ununterbrochen mit dem Kugelschreiber. Er schwitzte, obwohl die Temperaturen im Raum ganz normal waren, und er veränderte seine Sitzhaltung auf dem Stuhl, als hätte er Juckpulver zwischen den Pobacken.
    Er ist ein Hanswurst, dachte Münster.
    Das dachte er nicht zum ersten Mal. Oder etwas in der gleichen Richtung. Vor sich auf dem großen Schreibtisch hatte Hiller einen Stapel Tageszeitungen ausgebreitet. Nach dem Artikel über den »Bassinmord« im Neuwe Blatt vom Samstag war die Flora der Schreibkunst ordentlich ins Kraut geschossen. Sowohl die Allgemejne als auch Poost und Telegraaf hatten am Sonntag fette Schlagzeilen, und heute – am Montagmorgen – hatte Brouwer erneut den Taktstock ergriffen und gefordert, dass die Polizei endlich und ein für alle Mal versuchen sollte, die Forderungen – diese minimalen Forderungen! – zu erfüllen, die die Allgemeinheit und die Steuerzahler – jawohl, die Steuerzahler! – vollkommen zu Recht an sie stellten. Das allgemeine Rechtsbewusstsein konnte keine endlose Anzahl von Verstößen ertragen. Menschen wie Jaan G. Hennan durften einfach nicht frei herumlaufen!
    »Treffer!«, stellte Hiller fest und wischte sich die Stirn mit einem Papiertaschentuch ab. »Da hat er einen Treffer gelandet, dieser verdammte Journalist! Wir müssen Ordnung in die Sache bringen. Das Ganze ist ja so offensichtlich wie nur was. Er hat seine Frau um die Ecke gebracht, um an das Versicherungsgeld zu kommen!«
    »Er saß in diesem Lokal, als sie starb«, warf Van Veeteren ruhig ein.
    »Er hat ein Alibi«, unterstrich Reinhart.
    »Das spielt doch keine Rolle«, gab der Polizeichef Kontra und fegte mit dem Arm über die Zeitungen. »Guckt euch das an! Wir stehen wie inkompetente Plattfußindianer da, wenn wir das nicht lösen können. Der Kerl hat ja schließlich genau das Gleiche schon mal gemacht!«
    »Vollkommen richtig«, bestätigte Van Veeteren. »Und auch damals ist er damit durchgekommen. Wir stehen nicht allein mit der Schande

Weitere Kostenlose Bücher