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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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»Nun ja, jedenfalls bleiben uns noch ein paar Wochen, um nachzubohren. Das kann ja nichts schaden, und wir sind schon früher über Informationen gestolpert. Jegliche Initiative ist willkommen… und alle, die den Drang verspüren, sich Aug in Aug mit G. zu begeben, sind herzlich eingeladen, dieses zu tun. Lasst es mich nur im Vorfeld wissen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dazu Lust habe«, meinte Reinhart.
    »Lust hat in diesem Fall nicht viel zu suchen«, schloss der Kommissar ab.
    Die Pressekonferenz plätscherte so dahin.
    Der Beschluss, Hennan in Untersuchungshaft zu nehmen, war natürlich ein Happen, den die Reporter dankbar schluckten, und Van Veeteren wurde wieder einmal an die Lieber-eingebuchtet-als-frei-Mentalität erinnert, die Medienleute in so einem frühen Stadium der Ermittlungen immer prägte. Zunächst einmal ging es darum, den Mord zu finden, das spektakuläre Verbrechen, und das hatte man getan. Anschließend begann der Wettlauf darum, den Mörder vorzuweisen. Von diesem Detail würden die Schlagzeilen und Artikel des folgenden Morgens handeln. Im dritten Akt machte man gern eine vollkommene Kehrtwendung (zumindest, wenn es möglich war, und der Kommissar hegte keinen Zweifel daran, dass es auch in diesem Fall gewisse Voraussetzungen dafür gab) und versuchte, eine Art Partei für den Angeklagten zu ergreifen. War er wirklich schuldig? Hatte die Polizei nicht in diesem Fall den falschen Mann verhaftet? Sollte ein Unschuldiger verurteilt werden? Wie war es eigentlich um die Rechtssicherheit bestellt?
    Und wenn der Angeklagte schließlich verurteilt worden war: War es möglich, eine Geschichte über ihn zu schreiben? Seine Kindheit, Jugend und alle möglichen mildernden Umstände?
    Doch, nach diesen Leitlinien sollte der ganze Zirkus ablaufen, und Van Veeteren hatte im Laufe der Jahre gelernt, diese Regeln zu akzeptieren. Wäre er Journalist und nicht Kriminalkommissar, dann würde er vermutlich in gleicher Weise den Spielregeln folgen, wie er sich jetzt – zumindest soweit nötig – nach der Nomenklatur richtete, die den Rahmen für die Arbeit der Kriminalpolizei bildete. Es gab die Verlockung, sie ab und zu zu verlassen, von Fall zu Fall, aber bis jetzt – nach fast einem Vierteljahrhundert in der Branche – hatte er sich nie irgendwelche Übertretungen zu Schulden kommen lassen. Zumindest keine schwer wiegenden.
    Nach dem Schlagabtausch mit den Presseleuten, der nach weniger als einer halben Stunde beendet war, zog er sich in sein Büro zurück und dachte eine Weile über diese Umstände nach. Und darüber, ob er wohl eines Tages so weit kommen würde, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Wenn die Bedingungen so aussahen, als gäbe es dafür irgendeine Art von Berechtigung. Moralisch und existenziell.
    Auch in der privaten Sphäre seiner Überlegungen versuchte er, die Gedanken auf einer prinzipiellen Ebene zu halten. Versuchte zu vermeiden, G. ins Spiel zu bringen – so dass es bei der Frage blieb, was man machen sollte, nicht, was zu tun er Lust hatte. Um mit Reinharts Worten zu sprechen.
    Das war leichter gesagt als getan, und als er merkte, dass er die größte Lust hatte, Jaan G. Hennan in diese stinkende alte Turnmatte einzurollen, die Adam Bronsteins zerbrechliche Seele erdrückt hatte, gab er auf.
    Erinnerte sich stattdessen an seinen Entschluss vom Vortag, ein ernstes Gespräch mit seiner Ehefrau zu führen, und verließ das Polizeigebäude.
    Und auch das verlief wie erwartet.
    Nachdem sie sich darüber einig geworden waren, dass eine Trennung eine Art unleugbarer Tatsache war, konnten sie plötzlich wieder miteinander reden – aber er fragte sich insgeheim, ob nicht dieser leicht wehmütige gegenseitige Respekt an sich das deutlichste Zeichen dafür war, dass das Schicksal ihrer Ehe ein für alle Mal besiegelt war. Wenn man nicht einmal seinen Gefühlen in einem handfesten Streit Luft machen konnte, dann fiel es ihm schwer zu glauben, dass es noch irgendeine Basis gab, auf der etwas aufzubauen möglich war. Was immer es auch gewesen war, was er sich ein halbes Leben früher gewünscht hatte, so war es auf keinen Fall diese lauwarme, trübsinnige Distanz.
    Vielleicht war ja Renate sogar der gleichen Meinung, aber diesen Aspekt des vermeintlichen Zusammenlebens brachten sie nie zur Sprache. Stattdessen näherten sie sich einer Art zögerlicher Übereinkunft, die beinhaltete – wenn er es recht interpretierte –, dass sie noch ein halbes Jahr weitermachen und dann sehen

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