Sein letzter Fall - Fallet G
einleitende Erklärung abzugeben.
Staatsanwalt Silwerstein erhob sich von seinem Platz und ergriff das Wort. Seine Rede dauerte knapp fünfundvierzig Minuten, und der Kern der langen Ausführungen bestand darin, dass geplant war, zu beweisen, dass der Angeklagte, Jaan G. Hennan, vorsätzlich und mit eiskalter Berechnung seine Ehefrau, Barbara Clarissa Hennan, geborene Delgado, am Donnerstag, dem 4. Juni, ermordet habe, indem er sie in das trockengelegte Schwimmbecken bei dem vom Ehepaar gemieteten Haus, der Villa Zephir im Kammerweg 4 in Linden, hinunterstieß oder sie hinunterstoßen ließ. Ziel war es aufzuzeigen, dass Hennan ohne den geringsten Zweifel dieser gewissenlosen Tat schuldig war, obwohl man – und das wurde bereits in diesem frühen Stadium offen und ohne Umschweife erklärt – davon ausging, die Argumentation nicht in erster Linie auf so genannten technischen Beweisen aufbauen zu können, da derartige Beweise – im eigentlichen Sinne – in einem Fall dieser Art gar nicht aufzufinden sein könnten. Ganz einfach.
Stattdessen plante der Staatsanwalt, die Anklage auf Indizien aufzubauen – aber auf gewichtigen Indizien, die ihre deutliche Sprache sprachen und deren Gewicht und Bedeutung zusammengenommen kaum bei jemandem noch irgendeinen Zweifel offen lassen könnten – und schon gar nicht bei den fünf ehrenwerten Geschworenen –, wenn es um die Frage ging, wer den besagten Mord angestiftet, geplant und durchgeführt hatte. Außerdem werde man – auch das mit einer mehr als wünschenswerten Deutlichkeit – das offensichtliche Motiv der Straftat aufdecken und es in messerscharfe Relation zu dem stellen, was einer früheren Ehefrau des Angeklagten vor nicht allzu langer Zeit in den Vereinigten Staaten von Amerika zugestoßen sei. Zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren war die Ehefrau des Angeklagten unter mysteriösen Umständen gestorben (hier reagierten ein paar semantische Pedanten im Publikum mit einem leisen Kichern), und zum zweiten Mal wollte Jaan G. Hennan eine außergewöhnlich –äußerst außergewöhnlich! – hohe Versicherungssumme kassieren. Eins Komma zwei Millionen Gulden!
Der Staatsanwalt hegte keinen Zweifel daran, dass alle Anwesenden im Saal vom Scheitel bis zur Sohle davon überzeugt sein würden, dass Jaan G. Hennan nicht nur am Tod einer Ehefrau, sondern am Tod von zwei Ehefrauen schuldig war, wenn alles vorgestellt und präsentiert worden sei. Es sei die Pflicht aller Involvierten, dafür zu sorgen, dass er zu einer langjährigen, gerechten Strafe verurteilt werde.
Während des größten Teils dieser einleitenden staatsanwaltlichen Tirade hielt Münster seinen Blick auf die fünf Geschworenen gerichtet – drei Frauen und zwei Männer (möglicherweise eine Aufteilung, die dem Angeklagten zum Nachteil gereichen könnte, wenn auch nur peripher, wie der Kommissar erklärt hatte, da Frauen traditionellerweise und eingedenk ihres eigenen Geschlechts weniger dazu neigten, einen Ehegattinnenmörder davonkommen zu lassen, als Männer) – und versuchte anhand ihrer zurückhaltenden Mimik und ihrer subtilen Reaktionen abzulesen, wie ihre Meinung sozusagen an der Startlinie wohl war.
Es war natürlich unmöglich, ein besonders deutliches Bild in dieser Beziehung zu bekommen. Als Silwerstein gerade seine wortreiche Einleitung abgeschlossen hatte, zog einer der beiden Männer in der Jury – ein ergrauter Herr um die fünfundsechzig, der Münster schwach an den Schauspieler Jean Gabin erinnerte – ein kariertes Taschentuch heraus und schnäuzte sich mit einem dumpfen, aber deutlich vernehmbaren Trompetenstoß die Nase. Und wenn dieses Zeichen irgendwie gedeutet werden konnte, dachte Münster, dann war es auf jeden Fall kein besonders gutes Omen.
Was die Hauptperson selbst, Jaan G. Hennan, betraf, so saß er fast während der gesamten Ausführungen des Staatsanwalts mit gesenktem Kopf da, die Hände sittsam vor sich auf dem Tisch gefaltet. Er trug einen diskreten mittelgrauen Anzug mit einem Trauerband am Revers. Weißes Hemd und schwarzen Schlips. Es war nicht schwer zu erkennen, dass er es darauf anlegte, den Trauernden zu spielen.
Es war auch nicht schwer zu begreifen, dass ihm das in seiner Aufmachung ziemlich gut gelang.
Nach dem Staatsanwalt war der Verteidiger an der Reihe.
Es war eine Frau, was möglicherweise Hennans Position wieder zurechtrückte. Wenn eine Frau bereit war, einen vorgeblichen Gattinnenmörder zu verteidigen, ja, dann machte sich zumindest bei
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