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Sein letzter Fall - Fallet G

Sein letzter Fall - Fallet G

Titel: Sein letzter Fall - Fallet G Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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ja?«
    »Ja.«
    Hennan drehte den Kopf und schaute eine Weile an die Wand, und eine Sekunde lang – oder, besser gesagt, den verschwindend kleinen Bruchteil einer Sekunde – hatte der Kommissar das Gefühl, als wollte er gestehen.
    Erklären, dass er tatsächlich seine Ehefrau, Barbara Clarissa Hennan, geborene Delgado, ermordet hatte, in einer Art, die so genial und ausgekocht war, dass kein Kriminalkommissar auf der ganzen Welt es sich überhaupt vorstellen konnte.
    Aber dann schloss sich dieser Augenblick wie eine Muschel, und hinterher war es nicht mehr möglich auszumachen, ob es nur Einbildung gewesen war oder nicht. Hennan streckte langsam seinen Rücken und holte tief Luft. Wandte seinen Blick wieder dem Kommissar zu und schaute ihn mit einem Ausdruck sanfter Verachtung an.
    »Scheint draußen schönes Wetter zu sein.«
    »Es könnte schlechter sein.«
    »Danke für das Bier. Vielleicht kann ich mich ja nächste Woche revanchieren. Ich kenne da ein Lokal in Linden.«
    Oh ja, ich hasse diesen Teufel, dachte der Kommissar. Ich hasse ihn wirklich.
    In der Nacht träumte er, dass er mit Christa Koogel schlief.
    Sie waren verheiratet, hatten vier Kinder und wohnten in einem großen Haus am Meer. In Behrensee, soweit er beurteilen konnte, südlich vom Pier. Wie das in seine Träume kam, war äußerst unklar, aber es war nichtsdestotrotz ein Faktum. Es war auch keine heiße, plötzliche, leidenschaftliche Liebe, sondern ein ruhiger, behutsamer Beischlaf mit einer Frau, die seit einer langen Reihe von Jahren seine Lebensgefährtin war, und als er aufwachte, war ihm klar, dass er eine Reise zu einem dieser alternativen Lebenswege gemacht hatte. Nach einer Möglichkeit, die nie zu Stande gekommen war, einer Richtung, die sein Leben hätte einschlagen können, wenn nicht etwas anderes eingetroffen wäre.
    Wenn er keine andere Wahl getroffen hätte. Oder es unterlassen hätte, sie zu treffen.
    Er schaute auf die Uhr. Es war erst halb sechs. Er merkte, dass er schweißnass war. Ob das nun vom illusorischen Liebesakt kam oder kalter Schweiß der morgendlichen Angst war, das wusste er nicht. Der Traum saß wie ein Messer der Trauer in ihm, und ihm war klar, dass er nicht wieder würde einschlafen können.
    Er stand leise auf – um seine tatsächliche Lebensgefährtin nicht zu wecken – und stellte sich stattdessen unter die Dusche. Dort blieb er lange in der Hoffnung stehen, dass das heiße Wasser auch einen Teil der Schlacke im Inneren wegspülen würde, war aber im Zweifel, ob es gelingen könnte. Als er sich mit der Allgemejne am Frühstückstisch niederließ, war es zwanzig nach sieben. Die Gerichtsverhandlung in Linden sollte nicht vor zehn Uhr begingen, und er wusste, dass er einen langen Tag vor sich haben würde.
    Wieder mal einen.

22
    Der Gerichtssaal in Linden bot – abgesehen von den tatsächlichen Akteuren der Verhandlung – Platz für gut fünfzig Zuschauer inklusive Repräsentanten der Journalistenzunft, und als die Türen geschlossen wurden, damit die einleitenden Formalitäten beginnen konnten, war die Anzahl der Interessierten, die den Raum nicht mehr hatten betreten können, ungefähr dreimal so groß wie die Anzahl derjenigen, die hineingekommen waren.
    Im Hinblick auf die Aufmerksamkeit, die der Fall mit der toten Amerikanerin geweckt hatte, hatte es Überlegungen dahingehend gegeben, die Verhandlung in Maardam stattfinden zu lassen, aber Richter Hart hatte diesen Vorschlag hartnäckig abgelehnt. Es gehe hier trotz allem nicht um ein Fußballmatch, wie er alle wissen ließ, und der Lauf der Gerechtigkeit beruhe schließlich nicht auf solchen zu vernachlässigenden Faktoren wie Publikumsgröße und Medienaufmerksamkeit. Ganz und gar nicht.
    Der Kommissar hatte Hart als eine träge Kröte beschrieben mit dem Intellekt und der Bildung von einem halben Dutzend Nobelpreisträgern, und als Münster die schwere Gestalt da oben auf dem Podium betrachtete, ahnte er, dass es sich bei dem Bild um eine ziemlich treffende Charakteristik handelte. Er sah aus, als wäre er an diesem Morgen nur höchst widerwillig aufgestanden und als hätte er in seiner Richterrobe geschlafen, jedenfalls war sie im letzten halben Jahr nicht mehr gebügelt worden. Er begann damit, sich nachdrücklich zu räuspern und dreimal die Brille zu wechseln. Anschließend schlug er mit dem Hammer auf das Gesetzbuch, dass der Staub aufwirbelte, erklärte die Verhandlung für eröffnet und forderte den Staatsanwalt dazu auf, seine

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