Sein mit Leib und Seele - Band 08
Stückchen.
Charles ist aschfahl. Er ist mein Rettungsengel, ich weiß es … Dann sieht er mich, endlich. Ich sehe, wie sich sein Kiefer verkrampft und er die Augen aufreißt.
„Emma!“, stößt er heraus.
Alice antwortet ihm:
„Charles, ich bin wirklich erfreut, dich wiederzusehen. Ich weiß, es ist ein wenig unsensibel, so per Laptop, aber es ist genauso herzlich wie das letzte Mal, als du mich empfangen hast, nicht wahr? Aber du bist mir sicher nicht böse.“
„Alice, was hast du getan? Ich verbiete dir, Emma auch nur ein Haar zu krümmen.“
„Haha. Keine Sorge, Charles, ich werde ihr nichts tun. Das ist nicht mein Stil. Das werden andere für mich tun.“
In diesem Augenblick führt Anikeï eine brennende Zigarette an die Wunde auf meiner Schläfe und drückt sie brutal darauf aus. Ich schreie vor Schmerz. Der Ton dringt durch den Knebel, so gut er kann. Ich winde mich. Der Schmerz lässt nach.
Ich bin erschöpft. Charles’ Gesicht ist verzerrt, die Augen sind gerötet.
„Alice, hör sofort mit dieser Folter auf. Sie hat nichts getan. Wie feige von dir, dich an ihr zu vergehen. Komm doch und hol mich, wenn du es wagst.“
„Feige, ich? Und das aus dem Munde von einem, der meine Abwesenheit ausnutzt, um ein paar hübsche Püppchen zu bespringen, die ihn in seinem Apartment besuchen. Das ist lustig, Charles, wirklich lustig. Aber keine Sorge, ich werde dir die Jahre, die ich in der psychiatrischen Klinik verfault bin, zurückzahlen.“
„Alice, was dir passiert ist, war allein deine Schuld. Ich habe nichts …“
„Halt den Mund!“, schreit Alice. „Sei still. Du wirst mir jetzt zuhören. Und du wirst gehorchen. Ich weiß, dass du gehorchst, denn du hast keine andere Wahl. Ich gebe dir einen kleinen Beweis.“
Daraufhin beugt sich Anikeï zu mir. Er hält ein Messer in der Hand. Ich zittere am ganzen Körper. Vor Angst treten mir die Augen aus dem Kopf. Er streicht mir mit der Klinge über meine gespreizten Beine, dann hebt er damit das Band meines Kleides hoch. Mit einer Hand zieht er am Gummi meines Slips und zerschneidet ihn. Mit einem Ruck reißt er mir den Slip herunter und wirft ihn in eine Ecke des Zimmers. Ich kann nichts tun, unbeweglich, geknebelt, Hände und Beine weit auseinander an den Stuhl gebunden.
„Hör sofort damit auf, Alice! Ich werde tun, was du willst.“
„Gut, Charles, endlich wirst du vernünftig. Wie schön. Ich lasse dir eine kurze Nachricht mit allen Details meiner Wünsche zukommen. Bis sehr bald, mein Schatz. Küsschen.“
Sie wirft ihm einen Luftkuss in die Kamera. Dann schließt sich ihr Fenster im selben Augenblick wie das von Charles.
Ich bin bestürzt. Reglos.
Dimitri klappt den Laptop zu. Er ist nicht ein einziges Mal vor die Kamera getreten. Versteckt er sich? Welche Rolle hat er in diesem Spiel? Anikeï und der Rothaarige binden mich los und lassen mein Kleid wieder hinunter. Leises Klopfen an der Tür … Es ist Antoine, der Page. Er holt den Hotelwagen wieder ab. Natürlich, ein öffentlicher Rechner, das ist unauffälliger …
Er wirft ein schüchternes Lächeln in den Raum. Der Rothaarige setzt sich wieder auf seinen gewohnten Platz. Anikeï und Dimitri gehen auf die andere Seite des Tisches und beginnen, leise miteinander auf Russisch zu reden. Nicht ein Blick zum Pagen, der die Kabel aufrollt. Ich erhebe mich schwankend und stehe zwischen dem Bett und der Zimmertür, die nur zwei Meter entfernt ist – und offen! Die Russen sind in ihr Gespräch vertieft. Soll ich? Und wenn das der richtige Moment ist? Die Entscheidung fällt im Bruchteil einer Sekunde. Ich springe zur Tür und schlüpfe auf den Flur. ,Freiheit!‘
3. Ein kleines Mädchen
Ich laufe barfuß den Sprint meines Lebens! Hinter mir russisches Gebrüll. Sie machen sich an meine Verfolgung! Ich habe nur wenige Meter Vorsprung und bin doch nie eine große Sportlerin gewesen. Neben mir scheinen die Lampen an den Wänden zu flackern. ,Da, zwei Pagen!‘ Ich flitze zwischen den Hotelwagen hindurch. ,Gäste mit Gepäck, schnell!‘ Ich springe über ihre Koffer. Alle sind von der Aufregung an diesem behüteten Ort überrascht. Am Ende des Flurs die Fahrstühle. Noch wenige Meter, vorausgesetzt, er kommt gleich … Emma, rauf auf den Knopf! Ich habe Glück, die Türen öffnen sich augenblicklich. Eine Putzfrau schiebt ihren schweren Wäschekorb hinaus. Ich werfe mich in die Kabine und drücke wie verrückt auf die Knöpfe. Los, geh schon zu! Ich blicke hoch. Sie kommen! Anikeï
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