Sein mit Leib und Seele - Band 08
dort oben ist atemberaubend. Mir kommt es so vor, als liefen wir über die Dächer von Paris. Die Stadt funkelt in Tausenden von Sternen um uns herum. Der Himmel leuchtet unter den Sternen. All diese Lichter spiegeln sich in den Sonnenbrillen unserer Entführer. Hier oben fährt uns der Wind durch die Haare. Ich zittere. Die Russen scheinen nicht zu Scherzen aufgelegt. Meine Ohren dröhnen und mir wird schlecht vor Anspannung. Wir sind in der Klemme … Das ist das Ende! Wenn das der letzte Tag meines Lebens ist, verbringe ich ihn wenigstens mit Charles und unter den Sternen …
Rechts, auf einer kleinen windgeschützten Brüstung, glühen abwechselnd zwei orange Punkte in der Dunkelheit auf. Wir kommen näher: Die Petrovska-Schwestern sitzen ruhig da, die Beine in die gleiche Richtung übereinander geschlagen, eine dünne Zigarette zwischen den Fingern. Sie starren uns an, ohne ein Wort zu sagen, und blasen den Rauch in die Sterne.
Hinter der kleinen Wand öffnet sich eine Metalltür. Jemand in einem schwarz-weißen Kleid tritt heraus. Alice. Sie trägt einen großen Pelzkragen, um sich gegen die Kälte zu schützen. Hinter ihr, mit einem breiten Grinsen, Guillaume. Alice hält einen Augenblick inne, holt eine Zigarettenspitze heraus und entzündet ihre Tabakdose. Der orange Funke verströmt in der Dunkelheit. Guillaume sieht mich zufrieden an.
Als sie den Neffen von Alice sehen, springen die Petrovska-Schwestern auf. Sie lächeln geniert und rücken ihre Blusen zurecht. Wenn diese Tussis nicht in diesen Typen verknallt sind, dann weiß ich auch nicht weiter!
Alle Anwesenden stehen nun unbeweglich herum und spielen die Rolle ihres Lebens in dieser Schlüsselszene. Dann zerreißt ein irrer Lärm den Himmel: Ein schwarzer Hubschrauber landet auf der anderen Seite des Museumsdachs. Dimitri, Anikeï und der zerfurchte Alte gehen auf ihn zu. Ihre dunklen Silhouetten verschmelzen mit der Nacht.
Alice nähert sich begierig Charles. Sie stellt sich ganz nah an seinen gefesselten Körper. Ihre Brüste berühren seinen Oberkörper. Dann führt sie die brennende Zigarette bedrohlich dicht an seine Augen. Aber Charles rührt sich nicht. Seine Willensstärke ist in seinen Augen zu sehen. Und ich spüre, wie Alice es nicht erträgt, ihn nicht mehr beherrschen zu können. Dann sagt Charles sanft zu ihr:
„Alice, ich freue mich zu sehen, dass du endlich begriffen hast, dass ich dir nie wieder gehöre. Du hast ja auch den kleinen Dimitri hier gefunden. Oh, ihr passt wirklich gut zusammen. Wie glücklich er heute sein muss, er, der sich an der Universität so sehr nach dir verzehrte. Aber er war ein wenig zu finster, zu selbstbezogen für dich. Wir mieden ihn alle, zu egoistisch, zu sehr aufs Geld aus … Gratulation. Wie du weißt, zeugt es von persönlicher Entfaltung, zu lernen, sich im Leben mit weniger zufrieden zu geben. Mit dem wenigsten.“
„Charles Delmonte, wie immer seiner Selbst sicher, wie immer Herrscher über seine Umgebung. Von allen vergöttert. Es ist nicht schlimm, Charles, ich habe dich geliebt und ich habe dich verloren. Aber heute werde ich gewinnen. Diese Sterne sind die letzten, die du je sehen wirst.“
Eine Pause, dann küsst sie Charles auf den Mund, so wie sie mich geküsst hat. Sie lässt ihre Hand über seinen Oberkörper und dann hinein in seine Hose gleiten.
„Das hier war schön, Charles, aber es ist vorbei.“
Dann zieht sie ein kleines Säckchen hervor, das Charles unter seinem Hemd befestigt hatte: die blauen Diamanten! Sie sind darin! Sie lächelt und steckt sie in ihr Dekolleté.
„Und du, kleine Göre“, sagt sie zu mir, „der Vertrag hat sich erledigt. Am einfachsten wird es sein, sich gleichzeitig deiner zu entledigen. Zwei Fliegen mit einer Klappe!“
Louka und Monsieur Rothaar stoßen uns an den Rand des Gebäudes. Die Stadt erstreckt sich zu unseren Füßen und steil unter uns, Dutzende von Metern, ist der Gehweg zu erkennen. Wir stehen mit einem Fuß in der Leere. Charles steht neben mir und unsere Blicke kreuzen sich, ohne Zweifel zum letzten Mal. Ich spüre, wie unsere Liebe in diesem Moment unendlich stark wird … Doch das alles wird sich in der Ewigkeit auflösen.
Doch plötzlich setzt Guillaume, der bis eben starr in seiner Ecke stand, zu einem Sprint an. Er rennt auf uns zu und packt Alice an den Schultern, um sie nach hinten zu ziehen. Er schreit:
„Nein! Du wirst sie nicht töten! Emma, komm mit mir, du wirst für immer mein sein!“
Alice steht auf und
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