Sein mit Leib und Seele - Band 08
Wildledermokassins. Der Gegensatz zwischen seinem lockeren Outfit und seinem finsteren Gesicht könnte nicht größer sein.
Er blickt mich kalt und bedrohlich an. Während wir uns gegenseitig mustern, er bekleidet, ich im Morgenmantel, herrscht in diesem Hotelzimmer mit den geschlossenen Vorhängen und diesem Anikeï und dem Rothaarigen eine bedrückende Stille.
Ich versuche zu verstehen:
„Ich … Ich … Monsieur …“
„Stopp, Mademoiselle.“
Er unterbricht mich trocken und ich verstehe, dass die Unterhaltung eher einseitig verlaufen wird.
Er greift nach meinem Handgelenk und zieht mich barsch an sich. Trotz seiner Größe ist er sehr stark. Ich kann einen kleinen Schrei nicht zurückhalten. Der rechte Kragen meines Morgenmantels gleitet meinen Arm hinunter und entblößt meine Schulter. Ich atme heftig, die Augen weit geöffnet, starr vor Schreck.
„Seien Sie unbesorgt, Mademoiselle Maugham, ich werde Ihnen nicht wehtun. Jedenfalls nicht im Moment. Ich brauche Sie. Wir werden uns zuerst um Ihre Verletzung kümmern, Sie bluten ja …“
„Wa… Was? Wovon sprechen Sie? Wel… Welche Verletzung?“
Während er mich mit einer Hand festhält, hebt er die andere und berührt mich mit dem Handrücken an der Schläfe.
„Ihre Augenbraue, Mademoiselle Maugham. Sie blutet.“
Dann zieht er seinen Finger, von dem Blut perlt, zurück und führt ihn zu seinem Mund, um ihn abzulecken.
Vor Entsetzen will ich meinen Arm zurückziehen, um mich zu befreien. Keine Chance. Er hält mich so fest, dass sich mein Arm nicht mal bewegt. Aber die Erschütterung lässt den anderen Ärmel des Morgenmantels hinunterrutschen. Meine Schultern sind nackt und ich merke, wie der Morgenmantel, der nun von nichts mehr gehalten wird, unweigerlich nach unten rutscht. Mit einer schnellen Handbewegung versuche ich, meine Notbekleidung wieder hochzuziehen, aber die Bewegung handelt gegen mich: Noch bevor ich irgendetwas zu fassen bekomme, fällt der Morgenmantel zu Boden … Halbnackt stehe ich nun diesem Unbekannten gegenüber, nur mit einem Slip bekleidet und einer Mischung aus Angst und Demütigung in den Augen.
Meinen Gast scheint das nicht im Geringsten zu erschüttern. Ich sehe, wie sein Blick hinuntergleitet und meine nackte Brust betrachtet. Erst eine Brust, dann die andere. Dann gibt er meine Hand frei. Ich bücke mich schnell und hebe den Morgenmantel auf, um mich wieder damit zu bedecken. Dabei stolpere ich und halte mich an irgendetwas fest. Der Morgenmantel liegt auf dem Boden und die drei Männer beobachten mich dabei, wie ich, sozusagen auf allen vieren, den Slip zur Schau gestellt, mich jämmerlich darum bemühe, irgendetwas anzuziehen zu finden. Meine Augen sind von Tränen erfüllt. Ich bewege mich innerhalb eines Radars. Meine Bewegungen erfolgen automatisch. Ich nähere mich dem Kleiderschrank und bewege mich in Richtung Bad. Die Typen haben ganz offensichtlich ihr Vergnügen daran, mich so gedemütigt zu sehen, quasi nackt, die Knie auf dem Boden und wie ein hilfloses Insekt auf der Suche nach einem Fluchtweg. Ich greife alles, was ich finden kann und drücke es an mich, dann verschwinde ich im Bad, um mich anzuziehen. Als ich die Tür hinter mir schließe, spüre ich, wie die Blicke dieser Männer durch meinen Slip auf meinen Hintern dringen.
Im Bad muss ich weinen. Ich habe Angst davor, dass sie mich anfassen, Angst davor, was sie mit mir machen werden … ,Charles, wo bist du nur? Bitte komm!‘
Schnell ziehe ich alles an, was ich finden konnte. Ich binde den Gürtel des Morgenmantels zu und trete vor den Spiegel. Dort stocke ich. Ich streiche mir über die Wunde. Sie ist offen und blutet. Zum Glück spüre ich den Schmerz kaum. Ich suche im Wandschrank und finde etwas Watte, die ich auf die Wunde drücke. Für den Moment reicht das. Ich seufze und betrachte mein Gesicht. Ich muss hier raus. Schnellstens. Und was macht Charles in dieser Sekunde? ,Zu Hilfe, Charles! Bitte!‘
Ich drücke die Klinke nieder und kehre ins Zimmer zurück.
An der Tür hat sich Anikeï keinen Zentimeter bewegt. Der große Rothaarige sitzt immer noch mit dem Gesicht zu den Vorhängen. Mein Unbekannter hat sich an den kleinen Tisch gesetzt und verzehrt in aller Ruhe mein Essen.
„Es ist exzellent, wissen Sie, Mademoiselle Maugham? Der Chefkoch dieses Luxushotels hat gerade seinen zweiten Stern bekommen … Er kann wirklich zaubern! Wie schade, dass Sie ein solches Talent verschmähen! Dieses Geflügel ist perfekt gebraten.
Weitere Kostenlose Bücher