Sein Schmerz - Extrem (German Edition)
Edward stand nur da und starrte auf seine verstümmelte Frau und es schoss kein einziger Gedanke durch seinen Kopf.
Fast eine ganze Minute verstrich, bevor sich der erste Gedanke bildete.
Wo ist Jason?
Jason wusste, dass er etwas Schreckliches getan hatte. Seine Mutter zu töten war weitaus schlimmer als das, was er der Prostituierten angetan hatte. Er hatte keiner von beiden wehtun wollen. Er hatte einfach nur das überwältigende Gefühl mit ihnen teilen wollen, die Lust, die er empfunden hatte. Er hatte sich gewünscht, dass sie ihn verstanden und mit ihm fühlten, damit er sich nicht mehr so fremd und so allein vorkam. Aber stattdessen hatte er sie beide zerstört.
Er wanderte durch die Straßen, den Leichensack aus Latex über seine Schulter geworfen, den er mit seinen spärlichen Habseligkeiten gefüllt hatte. Er war sich nicht sicher, wohin er eigentlich ging. Er konnte noch immer nicht lesen und die Straßenschilder hatten keine Bedeutung für ihn. Die visuellen Eindrücke und Geräusche der Außenwelt waren atemberaubend. Es fiel ihm schwer, sich nicht von seinen Empfindungen überwältigen zu lassen. Jedes Mal, wenn ein Lastwagen an ihm vorbeidonnerte, hätte er sich am liebsten auf dem Gehweg zusammengerollt und geschrien.
Als Jason bewusst geworden war, dass er seine eigene Mutter umgebracht hatte und was sein Vater ihm deswegen vermutlich antun würde, war sein erster Gedanke gewesen, davonzulaufen. Weit wegzulaufen. Er hatte wie in Trance seine Sachen gepackt, noch einmal in der blutüberströmten Badewanne geduscht und war dann auf die Veranda vor dem Haus und in die Welt hinausgetreten. Als eine Lawine der Empfindungen über ihm zusammengebrochen war, hatte er sich wie erstarrt gefühlt. Er hatte beinahe eine Stunde lang still so dagestanden und vor Angst gezittert.
Die Welt war so groß, so laut, und es gab darin so vieles, das er nicht verstand. Autos rauschten die Straße entlang – tödliche, mehrere Tonnen schwere Projektile, die giftige Abgase ausrülpsten. Eines nach dem anderen schleuderte Jason mit einer solchen Wucht seinen donnernden Motorenlärm entgegen, wenn es an ihm vorbeiraste, dass er beinahe zu Boden gerissen wurde. Aus ihren Radios plärrte eine gewaltige Dissonanz und er hätte am liebsten laut losgeschrien.
Aber der Geruch war weitaus schlimmer. Jason hatte das Gefühl, zu ersticken. Im Haus wurde die Luft sorgfältig gefiltert und reiner Sauerstoff direkt in sein Zimmer gepumpt. Was er hier draußen atmen musste, glich einer dicken Suppe. Er hatte das Gefühl, sie kauen zu müssen, bevor er sie hinunterschluckte. Hunde kläfften, Menschen lachten und brüllten, Hupen dröhnten, Reifen quietschten, der Wind blies ihm den Geruch von Staub und Verschmutzung, Gras, Bäumen, Hundekot, Autoabgasen, menschlichem Schweiß, Atem und Hygieneartikeln zu. Es umhüllte ihn wie eine dichte Staubwolke, schien ihn zu ersticken und trieb ihm die Tränen in die Augen. Ihm drehte sich der Magen um. Einen Moment lang hätte Jason am liebsten laut gebrüllt und wäre wieder hineingerannt. Dann erinnerte er sich jedoch an seinen Unterricht. Er war in der Lage gewesen, die Frau und seine Mutter zu berühren, weil es sich gut angefühlt hatte. Er konnte dafür sorgen, dass sich auch dieser Schmerz gut anfühlte. Er konnte ihn in Freude verwandeln.
Sein Geist kehrte sich nach innen, suchte nach jedem Unbehagen und jeder Reizung, jedem Schmerz und jeder Beschwerde, bündelte sie und verwandelte sie. Der Staub und die Verschmutzung, die seine Nasenlöcher füllten und schwer auf seiner Zunge lagen, wurden zum Geschmack des Blutes und der Vaginalflüssigkeiten seiner Mutter, die sich im selben
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