Sein Schmerz - Extrem (German Edition)
sehr lange dauerte. Sein Geist war schon vor langer Zeit gebrochen – an jenem Tag, an dem die Krankheit diagnostiziert worden war.
»Das Abendessen ist gleich fertig. Bleib du einfach hier sitzen und bade in Selbstmitleid, während ich versuche, unserem Sohn zu helfen.«
Melanie stürmte zurück in die Küche und ließ ihren mutlosen Ehemann im Wohnzimmer allein zurück, wo er über die Chancen sinnierte, eines Tages einen normalen Sohn zu haben – und einmal mehr über die Vorzüge von Sterbehilfe.
Das Abendessen nahmen sie schweigend ein, während sie darauf warteten, dass die Sonne tief genug sank, damit sie die Zimmertür ihres Sohnes öffnen konnten, ohne dass das Licht ihn störte. Melanie blickte immer wieder über ihre Schulter auf den Computer, während Edward auf ein Lebenszeichen aus dem dunklen Zimmer seines Jungen wartete. Keinen von beiden schmeckte das Abendessen wirklich. Sie kauten mechanisch, so als durchliefen sie einen Prozess der Abfallbeseitigung, anstatt eine schöne Mahlzeit zu genießen. Sie spülten das Geschirr und räumten den Tisch ab, ohne miteinander zu sprechen.
Edward blickte in den Topf, in dem das Essen seines Sohnes langsam vor sich hin köchelte. Die Kartoffeln hatten sich in Brei verwandelt, und das Steak sah nicht viel besser aus. Melanie hatte beides vermutlich bereits zum zweiten Mal gekocht, das Steak im Spülbecken abgewaschen, das Wasser im Topf ausgewechselt und es erneut gekocht. Edward wusste bereits jetzt, wie dieser Brei schmecken würde, wenn sie damit fertig war. Er hatte die geschmacklose Pampe selbst schon oft gegessen. Babynahrung war im Vergleich dazu geradezu scharf gewürzt.
Melanie nahm den Topf vom Herd und trug ihn zum Spülbecken hinüber. Sie drehte den Kaltwasserhahn auf, holte das Steak heraus und spülte es für ein paar Minuten unter dem eiskalten Wasser ab. Es war gerade noch lauwarm, als sie es zusammen mit den weichen Kartoffeln in der Küchenmaschine zu weißem Mansch zerkleinerte. Dann türmte sie die geschmacklose Masse direkt auf ein Tischset aus Gummi, das sie aufgrund seiner Beschaffenheit speziell für Jason ausgewählt hatte, und ging zum Zimmer ihres Sohnes.
Instinktiv streckte sie ihre Hand nach dem Lichtschalter aus und knipste ihn an. Als nichts passierte, legte sie ihn erneut um, bevor ihr zum vielleicht tausendsten Mal wieder einfiel, dass es in diesem Zimmer kein Licht gab. Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Die schwarzen Wände verschlangen das Licht, das aus dem Rest des Hauses ins Zimmer drang, ja, ermordeten es förmlich. Als sie schließlich Umrisse erkennen konnte, trat Melanie ein und schloss die Tür hinter sich. Sie ging zu dem Sack hinüber, der in der Mitte des Raumes hing, und starrte ihn an. Irgendetwas daran erinnerte sie an einen Sarg. Vielleicht lag es daran, dass der Sack Ähnlichkeit mit den Leichensäcken eines Bestatters besaß. Sie hatte sie schon des Öfteren im Fernsehen gesehen und dieser hier sah aus wie eine etwas stilvollere Version. Etwas, das ein Vampir bei sich zu Hause haben könnte. Mit den schwarzen Wänden und Fenstern, die das Sonnenlicht abhielten, hätte das Zimmer ihres Sohnes die perfekte Bleibe für einen Vampir abgegeben.
Ein kalter Schauer durchfuhr sie, als sie den Gedanken im Geiste zu Ende verfolgte.
Was, wenn mein Sohn tatsächlich ein Vampir ist? Was, wenn er das Licht deshalb so sehr hasst? Vielleicht ist er deshalb so empfindlich, weil er noch nie Blut getrunken hat, das ihn stark gemacht hätte.
Sie beobachtete, wie der schwarze Gummisack sich mit der langsamen, gleichmäßigen Atmung ihres Sohnes hob und senkte, und erneut huschte ein eiskaltes Kribbeln über ihre Haut.
Vielleicht ist er ja deshalb so
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