Sein Schmerz - Extrem (German Edition)
und tiefen Konzentration in ihre Stirn gruben und sich ihre Finger langsam auf den Mund zubewegten.
Melanie hatte ihre Fingernägel bereits komplett abgekaut und knabberte nun mit ihren Zähnen an ihrer Nagelhaut, während sie dem Gebrüll ihres Sohnes lauschte. Sie hörte ihn immer wieder schreien, bis es mit einem Mal ganz still wurde. Die Isolierung zwischen den Wänden dämpfte die Geräusche von drinnen so gut, dass sie auch dann kaum hören konnte, was in Jasons Zimmer vor sich ging, als sie ihr Ohr ganz fest gegen die Tür presste. Nachdem Jasons Jammern und Schreien verstummt und von leisem Stöhnen abgelöst worden war, konnte sie die feste, beständige Stimme des Yogis hören. Sie war leise, aber weit von einem Flüstern entfernt. Trotzdem fing Jason nicht wieder an zu schreien, obwohl Melanie wusste, dass das Geräusch für ihn ohrenbetäubend klingen musste.
Während Melanie sich anstrengte, etwas durch die vollisolierte Tür zu verstehen, drang ein Laut aus dem Zimmer ihres Sohnes, der ihr einen eisigeren Schauer über den Rücken jagte, als seine Schreie es je vermocht hatten. Sie hörte ihren Sohn lachen. Sie wusste nicht, warum sie sich so sicher war, dass es Jasons Lachen war und nicht das des Yogis, da er dieses Geräusch noch nie zuvor von sich gegeben hatte, aber aus irgendeinem Grund war sie sich ganz sicher.
Diesmal griff sie doch nach dem Türknauf. Sie drehte ihn und spürte, wie sich der Schnapper aus dem Schließblech löste und sich die Tür öffnete. Sie stieß einen Schrei aus, als sich der Knauf wieder in ihren Fingern drehte, die Tür aus ihrer Hand gerissen und wieder zugeknallt wurde. Melanie stand zitternd im Flur und starrte auf die geschlossene Tür, während das Gelächter weiter andauerte. Es war schon sehr lange her, seit Melanie in diesem Haus zum letzten Mal jemanden hatte lachen hören, aber sie erinnerte sich noch an den Klang. Und sie war sich sicher, dass es nicht so klingen sollte. Das Gegacker, das in Jasons Zimmer widerhallte, klang noch gequälter als seine Schreie. Es war das Geräusch eines zerbrechenden Geistes, eines Ichs, das an einem Es zerschellte – die Stimme des Wahnsinns.
»Hör auf, Jason. Ich will dir im Moment nicht noch mehr wehtun – aber ich kann und werde es. Reiß dich zusammen und vertraue darauf, dass ich hier bin, um dir zu helfen.«
Der kleine Mönch legte eine Hand auf Jasons Gesicht, um ihn zu beruhigen, und Jason zuckte instinktiv zurück. Arjunda schlug ihn erneut. Jason fiel zu Boden und wurde von Krämpfen geschüttelt. Der Yogi machte keinerlei Anstalten, ihm zu helfen.
»Hör auf meine Stimme, Jason, dann wirst du das hier überleben. Ich weiß, dass du denkst, dass du sterben willst. Und wenn es wirklich das ist, was du willst, dann wirst du das auch bekommen, weil du in jedem einzelnen Moment meines Unterrichts leiden wirst. Wenn du nicht lernst, mit diesem Leiden umzugehen, dann wird dein Körper in einen Schockzustand fallen und du wirst sterben. Aber du wirst schreckliche Schmerzen leiden, bevor du es tust. Sämtliche Qualen, die du in deinem bisherigen Leben zu kennen geglaubt hast, werden nichts sein im Vergleich zu dem, was du gleich erleben wirst, wenn du dich mir widersetzt. Sicher, du wirst letzten Endes sowieso sterben, aber es wird ein langer, qualvoller Tod sein. Es liegt ganz bei dir.«
Jason starrte den kleinen Mönch an und brach in Gelächter aus. Er wusste nicht, warum er es lustig fand, aber mit einem Mal kam ihm sein ganzes Leben wie ein einziger gigantischer Witz vor, der nun endlich seine Pointe erreichte: Er war mit diesem wahnsinnigen kleinen Mann in der orangefarbenen Kutte in einem Zimmer eingesperrt, während seine Mutter auf der anderen Seite der Tür stand und sich zweifellos wünschte hereinzustürmen und ihn mit einer ihrer entsetzlichen Umarmungen zu überfallen. Niemand hatte ihm je zuvor absichtlich wehgetan. In diesem Moment wurde Jason bewusst, dass sich in ihm ein entsetzlicher Hass auf seine Mutter angestaut hatte, obwohl sie immer nur versucht hatte, ihm zu helfen und ihn zu lieben. Sie hatte ihm immer nur aus Versehen wehgetan. Vor diesem kleinen Mann hatte noch nie jemand absichtlich versucht, ihn zu verletzen. Mit einem Mal wurde Jason bewusst, wie viel schlimmer er hätte bestraft werden können. Seine Mutter hatte zu laut gesprochen, ihn zu oft berührt oder den verdammten Lichtschalter umgelegt, aber sie hatte ihn noch nie so geschlagen, wie dieser kleine Mann es getan hatte. Und
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