Seine einzige Versuchung
zu werden, musste er so oder so eingehen. Sollte sie sich auf die Bootsfahrt mit ihm einlassen, sah er darin die Chance, endlich alles klarzustellen, was sich inzwischen an Aufgeregtheiten und Missverständnissen angehäuft hatte. Eine Bootfahrt erschien ihm darüber hinaus vorteilhaft wegen der fehlenden Möglichkeit, ausweichen oder flüchten zu können. Sie würden sich Auge in Auge gegenüber sitzen und sich den Fakten stellen müssen. Er war bereit dazu und hoffte, dass sie ihm so weit vertrauen würde, um sich auf diesen Schritt einzulassen. Gespannt wartete er auf Ellis Antwort. Die Gedanken wirbelten unzusammenhängend in ihrem Kopf herum. Er wollte tatsächlich in einen ihrer privatesten Bereiche vordringen, der bislang ihr allein gehört hatte. Warum hatte er an der Tür nachgesehen, ob sie belauscht wurden? Seine Reaktion auf ihren Vorwurf kam völlig unerwartet - er schien selber von ihrer Aussage überrascht gewesen zu sein. Hatte er demnach doch nicht um ihre Hand angehalten? Wie kam ihre Mutter dann zu dieser Behauptung? Was hatte er mit ihrem Vater besprochen? War ihm bewusst, welche Bedeutung das Boot für sie hatte?
„Elli?“ Sie fuhr aus ihren Gedanken hoch:
„Ja?“ Fragend sah er sie an. „Sie haben nicht um meine Hand angehalten?“
„Nein - trauen Sie mir das wirklich zu? Ich muss gestern einen denkbar schlechten Eindruck auf Sie gemacht haben. Man kann mir ja vielleicht einiges vorwerfen, aber nicht, dass ich Frauen respektlos behandele. Bitte lassen Sie mich alles in Ruhe erklären.“
„Gut“, willigte sie kurzerhand zu seiner Verwunderung und Freude ein. Elli war so erleichtert über seine Antwort, dass sie ihre Wut vergessen hatte. Der Wunsch, mehr über ihn zu erfahren und in seiner Nähe zu sein, ließ sie kurz und knapp zustimmen. Sich aus Anstandsgründen künstlich zu zieren, war nicht ihr Ding.
Sie erreichten den Steg, an dem alles begonnen hatte. Benthin lächelte in sich hinein bei dem Gedanken an die Begegnung in der vergangenen Woche. Da er wusste, wie empfindlich Elli auf dieses Thema reagierte, vermied er jegliche Anspielung. Er reichte ihr die Hand, um ihr beim Einsteigen in das Boot behilflich zu sein. Zwar stellte es keine Schwierigkeit für Elli dar, alleine in das Boot zu klettern, nichtsdestotrotz nahm sie die kleine Hilfestellung gerne an. Es war angenehm, seine Hand wieder in ihrer zu spüren. Als sie schließlich beide im Boot saßen, übernahm Benthin die Ruder, um ein Stück hinaus auf den See zu fahren. Nach den Erlebnissen im Haus konnte ihm der Abstand zum Gebäude nicht groß genug sein. Endlich waren sie wirklich alleine und ungestört. Benthin atmete tief durch und betrachtete Elli still. Sie schwieg ebenfalls und erwiderte seinen Blick. Er wusste nicht recht, wie und wo er anfangen sollte:
„Elli, ich will versuchen, alles zu erklären. Das ist sehr schwierig für mich, weil ich selber von den Ereignissen völlig überrascht und überwältigt bin.“
„Denken Sie auch, dass meine Mutter dieses unsägliche Gerücht in die Welt gesetzt hat?“, versuchte Elli ihm auf die Sprünge zu helfen.
„Ehrlich gesagt, ja. Ich wollte es nicht so direkt sagen.“
„Das können Sie ruhig - sie ist einfach unmöglich!“
„Jetzt tun Sie ihr aber Unrecht. Sie will sicher nur Ihr Bestes.“
„Sie reden schon wie mein Vater! Ich will nicht, dass sie sich in Dinge einmischt, die sie nichts angehen!“
„Ich denke schon, dass es Eltern etwas angeht, mit welchem Mann sich ihre Tochter einlässt.“ Benthin bemerkte zu spät, was ihm versehentlich heraus gerutscht war.
„Tue ich das denn - mich mit Ihnen einlassen ?“ Er war fasziniert von ihrer schlagfertigen, geradlinigen Antwort - die Verteidigung eines Mandanten vor Gericht hätte ihm nicht mehr rhetorisches Geschick abverlangen können. Dort bewegte er sich immerhin auf sicherem Terrain und besaß eine gewisse Routine, was hier eindeutig nicht der Fall war. Er wollte nicht um den heißen Brei herum reden:
„Ich wünschte, Sie täten es.“ Entgegen seiner Vorsätze, sie vorläufig nicht mehr zu berühren, nahm er ihre Hände zwischen seine Handflächen und hielt sie, als ob er sie wärmen wollte. Elli genoss seine Berührung.
„Sind Sie nicht ein bisschen zu alt für mich?“, begann sie ihn zu necken. Er betete sie heimlich dafür an und konnte nicht umhin, ihre kleine Provokation entsprechend zu kontern:
„Selbst auf die Gefahr hin, mir erneut Ihren Zorn zuzulegen, muss ich Ihre Worte
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