Seine einzige Versuchung
Spott und streckte ihr die Hand zur Begrüßung entgegen. Da sie die Geste jedoch nicht erwiderte, fügte er mit amüsierter Ironie im Blick hinzu:
„Wie ich feststelle, haben Sie inzwischen nichts an Temperament eingebüßt.“ Entgegen ihrer guten Vorsätze nach der Standpauke ihres Vaters am Vormittag, hatte Elli längst wieder die Kontrolle über ihre Umgangsformen verloren. Sie war vom Wechselbad ihrer Gefühle überwältigt. Die Empörung über seinen unverfrorenen Vorstoß dominierte ihr Verhalten. Dieser Mann erschien ihr wie die wandelnde Provokation:
„Wie konnten Sie nur!“
„Hätten Sie die Güte, mich aufzuklären, was ich nun schon wieder verbrochen habe?“ Wiederum fühlte er die steigende Erregung, die sie mit ihrer ungestümen Art in ihm auslöste. Er hatte sich geschworen, diesmal rücksichtsvoller mit ihr umzugehen nach seinem gestrigen Drängen und achtete darauf, genügend Distanz zu ihr zu wahren.
„Das wissen Sie ganz genau!“
„Ehrlich gesagt, nicht so ganz. Es tut mir leid, dass ich mich gestern so schnell zurückgezogen habe. Das war nicht besonders anständig...“ Leiser und sehr ernst fügte er hinzu: „Ich hätte Sie nicht so bedrängen dürfen, wie ich es tat - das war rücksichtslos von mir. Sie können kaum mehr Achtung vor mir haben, als vor diesem ungehobelten Jüngling, der Sie belästigt hat.“
„Aber darum geht es doch gar nicht!“ Elli zweifelte ernsthaft an seinem Feingefühl, das sie noch am Abend zuvor so anziehend an ihm gefunden hatte. Wie konnte er sich solche Vorwürfe machen und zugleich so taktlos sein, bei ihrem Vater um ihre Hand anzuhalten ohne sie vorher zu fragen! Es war ungeheuerlich, zumal sie sich kaum kannten. Es mochte ja durchaus in seinen adeligen Kreisen üblich sein, dass ein Heiratsantrag zuerst bei den Eltern vorgetragen wurde. Für Elli kam dies jedoch nicht infrage. Sie war voller Verachtung für derartige Sitten. Es zeugte von Respektlosigkeit gegenüber einer Frau, wenn der Mann sie bei so einer wichtigen Fragestellung überging.
„Um was geht es dann? Bitte helfen Sie mir auf die Sprünge!“ Elli war erbost über seine mutmaßliche Ignoranz:
„Sie sind doch sonst nicht auf den Kopf gefallen!“ Es fiel ihm schwer, weiter so ruhig und einigermaßen sachlich zu bleiben wie bisher. Schon wieder waren sie nur wenige Minuten zusammen, und die Situation drohte neuerlich zu eskalieren. Er versuchte dennoch, die Fassung zu bewahren und antwortete beherrscht:
„Elli, bitte sagen Sie mir, was Sie so zornig macht. Vielleicht lässt sich alles ganz einfach erklären.“
„Ich wüsste nicht, wie Sie erklären wollen, dass Sie…“ Es verschlug ihr die Sprache.
„Dass ich - was ?“ Benthin spürte eine unerträgliche Spannung und trat einen Schritt nach vorne in ihre Richtung. Seine Stimme war nun so leise, dass sie beinahe bedrohlich klang. Elli schwieg. Schließlich verlor er die Beherrschung:
„Verdammt nochmal! Sagen Sie mir jetzt endlich , was los ist!“ Elli platzte ebenfalls der Kragen:
„Sie können doch nicht einfach um meine Hand anhalten, ohne mich vorher zu fragen! Und das Fluchen können Sie sich auch sparen!“
„Das gibt es doch wohl nicht! Ich soll - was !?“ Er stutzte. „Einen Augenblick, bitte…“ Er ging zur Tür und öffnete sie, als erwarte er, dort jemanden vorzufinden, der lauschte. Niemand war zu sehen, auch nicht im Gang. Leise schloss er die Tür wieder und drehte sich zu Elli um:
„Tun Sie mir einen Gefallen und kommen mit mir nach draußen? Ich habe den Verdacht, die Wände in diesem Haus haben Ohren.“ Seine Reaktion machte Elli stutzig - irgendetwas stimmte nicht. Ihr war unbehaglich zumute. Sein Vorschlag, nach draußen zu gehen, kam ihrem Drang nach frischer Luft und Bewegung entgegen. Eine große, gläserne Flügeltür führte vom Arbeitszimmer auf die Terrasse. Benthin öffnete einen Flügel und überließ ihr den Vortritt. Elli schritt an ihm vorüber, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Auch jetzt konnte er ihren anziehenden, leichten Duft wahrnehmen, was ihm erneut zusetzte. Er wollte möglichst weit weg von den beobachtenden Augen und gespitzten Ohren im Haus, um endlich ungestört und vernünftig mit ihr sprechen zu können. Da er wusste, dass Elli das Bootfahren liebte, wagte er die Frage:
„Wären Sie mit einer gemeinsamen Bootsfahrt einverstanden?“ Zugleich erhoffte er sich, Aufschluss über Ellis Einstellung ihm gegenüber zu erhalten. Das Risiko, abgewiesen
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