Seine einzige Versuchung
anderen gemacht - einem Draufgänger, einem attraktiven Lebemann, der keine Skrupel hatte, sich verheirateten Frauen anzunähern, wenn sie ihm interessant genug erschienen. Dabei war Richard Kabus selber verheiratet, doch nie sah man ihn auf den üblichen gesellschaftlichen Veranstaltungen in Begleitung seiner Ehefrau. Stets entschuldigte er ihr Fehlen mit Unpässlichkeiten der Dame. Im Grunde kam ihm der labile Zustand seiner Frau jedoch ganz gelegen - dies bot ihm die Möglichkeit, seiner Neigung, seiner Leidenschaft nahezu unbehelligt nachzugehen. Und das tat er in der Regel sehr geschickt. Nie war eine seiner Affären an die Öffentlichkeit gelangt. Sein Ansehen war offiziell das eines unerschrockenen Mannes, der von den meisten Männern geachtet wurde. Als geradezu begnadeter Charmeur wurde er von Frauen für gewöhnlich mit Wohlwollen und nicht zuletzt mit Entzücken betrachtet.
Nun, in diesem Fall hatten sich die Dinge etwas anders als sonst entwickelt. Kabus hatte keinen großen Hehl aus seiner Hingezogenheit zu Elli gemacht. Wie üblich handelte er nicht aus wahrer Zuneigung. Motiv für sein Handeln war zunächst einmal die rein körperliche Anziehungskraft, die Elli auf ihn ausübte. Vielmehr jedoch schätzte er den Reiz des Verbotenen, den seine Affären für ihn hatten. Er liebte das Spiel mit dem Feuer. Sein reicher Erfahrungsschatz im Umgang mit Frauen der gehobenen Gesellschaft befähigte ihn, rasch ihre inneren Befindlichkeiten wahrzunehmen. So war es eine Leichtigkeit für ihn, zu durchschauen, wie sehr Elli sich von ihrem Ehemann vernachlässigt fühlte. Ihre deutliche Zurückhaltung gegenüber seinen Avancen spornte ihn regelrecht in seinen Bemühungen um ihre Gunst an. Er sah in der Eroberung einer scheinbar unerreichbaren Frau eine Art sportlicher Herausforderung. So geschah schließlich das Unvermeidliche...
Kapitel 1
Elli hatte Julius von Bentin aus Liebe geheiratet. Obwohl sie immer noch eine starke Zuneigung zu ihm verspürte, bereute sie es inzwischen, sich überhaupt auf die Ehe mit ihm eingelassen zu haben. Zum Leidwesen ihrer Eltern - ganz besonders ihrer Mutter - hatte sie sich bereits im Jugendalter nie so recht für die Vorstellung, eines Tages zu heiraten, erwärmen können. Wäre es nach ihr gegangen, hätte der Tag gerne in weiter Ferne bleiben können. Je älter Elli wurde, desto mehr ärgerte sich ihre Mutter über die rebellische Tochter. An Ellis Vorbehalten gegenüber der Ehe änderte dies jedoch wenig - bis zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag. An diesem Tag wurde ihre bisherige Einstellung gehörig ins Wanken gebracht. Zu ihrer eigenen Überraschung war sie außerordentlich angetan gewesen, als Benthin wenig später begann, ihr den Hof zu machen. Sie hatte sich von Anfang an stark zu ihm hingezogen gefühlt, auch wenn es ihr zunächst schwergefallen war, sich dies einzugestehen. Für die damalige Zeit wäre es ein ungewöhnlicher Vorgang gewesen, den Antrag eines Mannes seines Standes abzulehnen. Selbst wenn die Ablehnung eines Antrages kein gesellschaftliches Tabu mehr darstellte, so hätte das Bekanntwerden einer solchen Entscheidung gesellschaftliche Irritationen nach sich gezogen. Dies hätte Elli jedoch ohne Zögern in Kauf genommen, bevor sie sich auf einen Mann einließ, den sie nicht wollte. Aus ihrer Sicht waren Konventionen ohnehin dazu da, sie in Frage zu stellen. Eheschließungen aus rein praktischen Motiven waren immer noch keine Seltenheit. Für Elli kam es jedoch nicht infrage, einen Mann aus Vernunftgründen zu heiraten. Trotz ihrer grundsätzlich skeptischen Einstellung gegenüber der Ehe als solche hatte sie keinen Grund gesehen, Benthins Bemühungen abzuwehren. Das aufregende Gefühl heftiger Verliebtheit ließ ihr keine andere Wahl, als sich für diesen Mann, der sie anscheinend ebenso wollte, zu entscheiden. Dass die Entscheidung, die sie im Vertrauen auf ihr Gefühl gefällt hatte, dennoch in ein Desaster münden sollte, konnte Elli nicht ahnen.
Er hatte ihr gefallen. Benthin besaß eine ungezierte, lässige Vornehmheit, wie sie nur Menschen mitbringen, denen Dünkel fremd sind, da sie es nicht nötig haben, sich über andere Menschen zu erheben. Sein scharfer Verstand und sein souveränes Auftreten machten ihn zu einem wortgewandten und anregenden Gesprächspartner für beide Geschlechter. Ganz besonders der Damenwelt entgingen darüber hinaus natürlich nicht seine geschmeidigen Bewegungen, seine angenehme Stimme und der elegante Gang -
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