Seine einzige Versuchung
Sie mit ihr streiten?“ Benthin begriff die Zusammenhänge nicht sofort:
„Wieso streite ich mit ihr - wie kommen Sie darauf?
„Also, nun hören Sie mal! Wollen Sie mich zum Narren halten? Wovon sprechen wir denn hier die ganze Zeit? Das ganze Haus redet von nichts anderem mehr als diesem ominösen Streit gestern zwischen Ihnen und Elli in der Küche!“
„Ach so, das !“ Beinahe hätte er vor Erleichterung lauthals lachen müssen. Anscheinend waren seine Befürchtungen völlig haltlos und nichts von dem war durchgesickert, was sich wirklich zwischen ihm und Elli abgespielt hatte. Offenbar war der kleine Disput zum Stein des Anstoßes geworden, da er vor der versammelten Küchenmannschaft stattgefunden hatte. Das bedeutete auch, dass sein Geständnis wahrscheinlich gar nicht notwendig gewesen war und erklärte, weshalb der Professor einigermaßen außer sich war. Kein Wunder, dass er zunächst eine Stärkung brauchte, um die Eröffnung seines Schützlings einigermaßen zu verdauen. Benthin fiel ein Stein vom Herzen, auch wenn er weiterhin unsicher war, was sein Freund von seinen Gefühlen für dessen Tochter hielt. Er war dennoch froh, die Karten auf den Tisch gelegt zu haben, da nun die Heimlichtuerei ein Ende hatte.
„Ja, was denn sonst ?“
„Natürlich, das war selbstverständlich nicht meine Absicht. Es war meine Schuld - ich habe Elli provoziert und nicht geahnt, dass sie so heftig darauf reagieren würde. Ein Wort gab das andere, und schließlich bin ich ebenfalls laut geworden. Das ist unverzeihlich, ganz besonders, da es in Anwesenheit des Personals geschehen ist.“
„Ja, das haben Sie wohl nicht ahnen können, wie heftig sie reagieren würde. Das überrascht mich nicht - ich kenne das nur zu gut. Sie treibt einen zum Wahnsinn, wenn es mit ihr durchgeht. Jetzt haben Sie es am eigenen Leib erfahren.“
Oh ja! Und zwar heftig! Benthin bebte innerlich vor Erregung bei dem Gedanken an Ellis Temperamentsausbrüche.
„Ja, das kann man durchaus sagen“, war seine gemäßigte Antwort.
„Sind Sie sicher, dass Sie ihre impulsive Art aushalten können?“
„Ellis Art ist zweifelsohne eine Herausforderung, aber - um ehrlich zu sein - ich bin hingerissen davon.“
„Ja, so kenne ich Sie - keiner Schwierigkeit wird ausgewichen. Nein, Sie suchen geradezu immer den Weg des größten Widerstandes. Und lassen Sie es sich gesagt sein, mein Freund, Elli ist eine echte Herausforderung, auch für Sie und Ihre brillante Argumentationskunst!“
Frau Preuß hatte wieder einmal genug gehört. Sie hatte es sich nicht verkneifen können, an der Tür zum Arbeitszimmer ihres Mannes zu lauschen. Ähnlich wie ihr Mann war sie fassungslos, jedoch mehr aus Begeisterung für die Entwicklung, die die Angelegenheit offensichtlich genommen hatte. Diese Wendung hätte sie nicht in ihren kühnsten Träumen erwartet. Sie verbrachte nicht viel Zeit mit Überlegungen, wie es wohl dazu gekommen sein mochte. Gleichwohl war es ihr unbegreiflich, dass Benthin am Vortag anscheinend nicht im Zorn auf Elli das Haus verlassen hatte, sondern sogar Gefallen an ihrem aufsässigen Wesen zu finden schien. Sie eilte die Treppe hinauf, um Elli die Neuigkeiten zu berichten.
Elli war derweil in ihrem Zimmer mit klopfendem Herzen auf und ab gegangen in der Erwartung, von ihrem Vater zu der geforderten Entschuldigung nach unten zitiert zu werden. Bei dem Gedanken, Benthin schon in Kürze wieder gegenüber zu stehen, stockte ihr der Atem. Sie hatte ihren Vater leider nicht überzeugen können, Benthin nicht einzubestellen und musste sich gedanklich auf die neuerliche Begegnung vorbereiten. Da ihr Vater zunächst mit Benthin alleine sprechen wollte, hatte er sie aufgefordert, in ihrem Zimmer zu warten, bis er sie rufen würde. Sein Eintreffen war ihr dennoch nicht entgangen. Wie schon beim Fest konnte sie Benthins Anwesenheit förmlich spüren. Zur Bestätigung hatte Elli ihre Tür einen Spalt geöffnet und konnte von unten aus der Eingangshalle kurz seine Stimme und die ihres Vaters hören, bevor beide im Arbeitszimmer verschwanden. Sie versuchte, sich die Worte zurecht zu legen, die sie ihm zur Entschuldigung sagen wollte, obwohl ihr dies nach wie vor widerstrebte. Eine Entschuldigung seinerseits wäre aus ihrer Sicht mindestens genauso anbracht. Sie hoffte, es werde sich ein Gespräch mit Benthin unter vier Augen ergeben, doch die Rahmenbedingungen würde vermutlich ihr Vater bestimmen. Ohne anzuklopfen stürmte plötzlich
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