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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zwei Bettlern, die im Dorfe von Tür zu Tür
gehen, und erklärt auf eine Frage des Schulmeisters den Bauern, ein
Mittel angeben zu können, daß sie nie einen Armen unter sich haben
sollen. Dann folgt ein verwickeltes System, zur Beseitigung der
Massenarmut, vollständig kommunistische Lehren … Der Herr
Minister des Ackerbaues und des Handels kann dies Kapitel nicht im
Ernste billigen.«
    Delestang, plötzlich kühn geworden, wagte es, Rougon gerade ins
Gesicht zu sehen.
    »Vollständig kommunistische Lehren?« wiederholte er, »Sie gehen
etwas weit! Ich habe darin nur eine scharfsinnige
Auseinandersetzung der Grundsätze der Assoziation gesehen.«
    Dabei blätterte er in seiner Mappe und erklärte endlich:
    »Ich habe das Buch gerade bei mir.«
    Dann begann er das fragliche Kapitel mit sanfter,
gleichmäßiger Stimme vorzulesen. Bei
gewissen Stellen nahm sein schöner, staatsmännischer Kopf den
Ausdruck ungewöhnlichen Ernstes an. Der Kaiser hörte mit gespannter
Aufmerksamkeit zu. Ihn schienen besonders die rührenden Stellen zu
erfreuen, wo der Verfasser seine Bauern im Tone kindlicher Einfalt
reden ließ. Die Exzellenzen waren vollends ganz entzückt. Was für
eine wundervolle Geschichte! Rougon, im Stich gelassen von
Delestang, den er nur deshalb hatte zum Minister ernennen lassen,
um an ihm inmitten der dumpfen Feindseligkeit der anderen eine
Stütze zu haben! Seine Kollegen waren mit seinen beständigen
Übergriffen, seiner Herrschsucht sehr unzufrieden; er behandelte
sie als bloße Beamte, während er der geheime Ratgeber und die
rechte Hand Seiner Majestät sein wollte. Er würde sich also
vollständig vereinsamt finden! Diesen Delestang mußte man
freundlich aufnehmen.
    »Es finden sich vielleicht ein oder zwei Worte«, murmelte der
Kaiser, nachdem Delestang geschlossen. »Aber im ganzen genommen
sehe ich nichts … Nicht wahr, meine Herren?«
    »Das Buch ist durchaus harmlos«, versicherten die Minister.
    Rougon antwortete nicht. Er schien die Schultern zu beugen. Dann
wandte er sich wieder gegen Delestang allein. Einige Minuten lang
kämpften sie in kurzen Sätzen miteinander. Der schöne Mann wurde
kriegerisch, beißend. Da erhob sich Rougon allmählich. Zum
erstenmal fühlte er seine Macht unter den Füßen wanken. Ohne
weiteres wandte er sich an den Kaiser, hoch aufgerichtet, mit
heftigen Gebärden.
    »Majestät, es ist ja keine große Sache; das Buch wird gestattet,
da Eure Majestät in Ihrer Weisheit glauben, daß es nicht gefährlich
ist. Aber ich muß Ihnen erklären, Majestät, es wäre eine der größten Gefahren,
Frankreich auch nur die Hälfte der Freiheiten zu geben, die dieser
brave Jakob verlangt … Sie haben mich unter schrecklichen
Umständen zur Regierung berufen. Sie haben mir gesagt, ich solle
nicht durch unzeitige Mäßigung die Zitternden zu beruhigen suchen.
Ich habe mich Ihrem Wunsche gemäß gefürchtet gemacht. Ich glaube,
mich bis ins kleinste nach Ihren Weisungen gerichtet und Ihnen die
Dienste erwiesen zu haben, die Sie von mir erwarteten. Wenn jemand
mich allzu großer Strenge anklagte, wenn man mir vorwürfe, die mir
von Eurer Majestät verliehene Macht zu mißbrauchen, so käme solcher
Tadel gewiß von einem Gegner Ihrer Politik … Glauben Sie mir,
die Gesellschaft ist noch immer ebenso tief erregt, es ist mir
leider in den wenigen Wochen noch nicht gelungen, sie von allen den
Übeln zu heilen, die an ihrem Marke zehren. Die Leidenschaften des
Umsturzes grollen immer noch im Grunde der Demagogie. Ich will
diese Wunde nicht bloßlegen, ihre Schrecken nicht übertreiben. Aber
ich muß an ihr Vorhandensein erinnern, um Eurer Majestät angesichts
Ihrer großherzigen Aufwallungen zur Vorsicht zu mahnen. Man konnte
einen Augenblick hoffen, daß die Energie des Herrschers und der
feierlich kundgegebene Wille des Landes die abscheulichen Zeiten
der allgemeinen Entartung für immer in das Nichts zurückgeworfen
hätten. Die Ereignisse haben gezeigt, in welch schmerzlichem.
Irrtume man sich befand. Ich bitte Eure Majestät im Namen des
Volkes, ziehen Sie Ihre mächtige Hand nicht zurück. Die Gefahr
liegt nicht in den zu weit gehenden Vollmachten der Regierung,
sondern in dem Mangel an Unterdrückungsgesetzen. Wenn Sie Ihre Hand
zurückzögen, würden Sie alsbald die Hefe der Bevölkerung aufwallen
und Sie mit revolutionären Anforderungen bestürmen sehen, und
selbst Ihre energischsten Diener würden Sie bald nicht mehr zu verteidigen imstande
sein … Ich erlaube mir,

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