Seine Exzellenz Eugène Rougon
färbten sich seine Wangen; die
Wonne verklärte sein prächtiges Gesicht. Frau Correur und Frau
Bouchard, die halblaut redeten, fanden ihn schön; besonders die
zweite mit ihrem verderbten Geschmack der Frauen für kahlköpfige
Männer, betrachtete entzückt seinen nackten Schädel. Herr Kahn, der
Oberst und die anderen suchten in Blicken, Gebärden und rasch
hingeworfenen Worten auszudrücken, wie hoch sie seine Fähigkeiten
anschlugen. Sie machten sich ganz klein vor dem Dümmsten in der
Schar; sie bewunderten sich selbst in ihm. Dieser Gebieter werde
wenigstens gelehrig sein und sie nicht kompromittieren. Sie konnten
ihn ungestraft zu ihrem Gotte machen, ohne seine Blitze zu
fürchten.
»Sie ermüden ihn«, bemerkte die schöne Frau Bouchard in
zärtlichem Tone.
Man ermüdete ihn! Alle wurden von Mitleid ergriffen. In der Tat
war er ein wenig bleich, und seine Augen schlossen sich. Bedenken
Sie, wenn man seit fünf Uhr morgens arbeitet. Nichts ermüdet uns so
sehr, als die geistige Anstrengung. Man
drang mit zarter Sorgfalt in ihn, er solle zur Ruhe gehen. Er fügte
sich und zog sich zurück, nachdem er einen Kuß auf die Stirne
seiner Frau gedrückt hatte.
»Flaminio!« murmelte die Gräfin Balbi.
Auch sie wünschte schlafen zu gehen. Sie durchschritt das Zimmer
am Arme des Dieners und winkte jedem der Gäste mit der Hand einen
Gruß zu. Im Ankleidezimmer hörte man Flaminio fluchen, weil die
Lampe erloschen war.
Es war ein Uhr. Die Gäste schickten sich an, nach Hause zu
gehen. Aber Clorinde versicherte, daß sie keinen Schlaf verspüre
und daß man bleiben könne. Doch wollte sich niemand mehr setzen.
Die Lampe des Schlafzimmers war ebenfalls erloschen, und ein
starker Ölgeruch verbreitete sich in dem Räume. Nur mit vieler Mühe
fanden die Gäste ihre kleinen Habseligkeiten, einen Fächer, den
Stock des Obersten, den Hut der Frau Bouchard. Clorinde lag ruhig
auf ihrem Bette ausgestreckt und hinderte Frau Correur, der Zofe
Antonia zu läuten, die gewöhnlich um elf Uhr zu Bett ging. Endlich
brach man auf, als der Oberst bemerkte, daß er seinen Sohn August
vergesse. Der junge Mann schlief auf dem Kanapee des Damenzimmers;
er hatte ein Kleid zusammengerollt und als Polster unter seinen
Kopf geschoben. Man zankte ihn aus, weil er die Lampe nicht
rechtzeitig aufgeschraubt habe. Im Dunkel der Treppe, wo das
abgeschraubte Gaslicht dämmerte, hörte man Frau Bouchard einen
leisen Schrei ausstoßen. Sie habe sich den Fuß verstaucht, sagte
sie. Während die Gäste, an das Geländer sich stützend, vorsichtig
hinabgingen, hörte man lautes Gelächter aus dem Zimmer Clorindens,
wo Pozzo sich verspätet hatte. Ohne Zweifel blies sie ihm in den
Hals.
Die Donnerstag- und Sonntagabende glichen einander; In der
Außenwelt sagte man, Frau Delestang habe einen politischen Salon.
Es gehe da sehr liberal her; man schlage die Willkürherrschaft Rougons in Stücke. Die ganze
Gesellschaft hegte den Traum von einer menschenfreundlichen
Regierung, die allmählich und bis ins Unendliche den Kreis der
öffentlichen Freiheiten erweitern werde. In seinen Mußestunden
entwarf der Oberst Statuten für Arbeitergenossenschaften. Herr
Béjuin sprach davon, rings um seine Glasfabrik zu Saint-Florent
eine Stadt zu gründen. Herr Kahn unterhielt Delestang stundenlang
über die demokratische Rolle der Bonaparte in der modernen
Gesellschaft. Bei jedem neuen Akte Rougons gab es entrüsteten
Widerspruch und patriotische Besorgnis, Frankreich in den Händen
eines solchen Menschen verderben zu sehen. Eines Tages behauptete
Delestang, der Kaiser sei der einzige Republikaner seiner Zeit. Die
Gesellschaft benahm sich allmählich wie eine religiöse Sekte, die
das allgemeine Heil bringt. Sie verschwor sich jetzt ganz offen,
den »Dicken« zum Wohle des Landes zu stürzen.
Indes beeilte sich Clorinde nicht. Man fand sie auf allen
Kanapees ihrer Wohnung ausgestreckt, zerstreut, die Augen in die
Höhe gerichtet, die Ecken der Zimmerdecke studierend. Wenn die
anderen rings um sie her schrien und ungeduldig stampften, blieb
ihr Antlitz ruhig, und ein leises Blinzeln ihrer Augenlider mahnte
die Gäste zu größerer Vorsicht. Sie ging jetzt weniger aus; um sich
die Zeit zu vertreiben, machte sie sich den Spaß, sich und ihre
Kammerfrau in Männerkleider zu stecken. Sie ward von einer
plötzlichen Zärtlichkeit für ihren Gatten ergriffen, küßte ihn vor
aller Welt, sprach im Hätscheltone mit ihm, zeigte sich sehr
besorgt um seine Gesundheit, die
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