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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Sie an mich gedacht?« fragte er ganz leise mit
liebenswürdigem Lächeln.
    »Versteht sich. Ihre Ernennung zum Kommandeur ist mir noch vor
vier Tagen versprochen worden. Nur kann ich, wie Sie sich selbst
sagen müssen, jetzt durchaus nichts mit Bestimmtheit zusagen… Ich
muß Ihnen gestehen, ich fürchte, daß meine Freunde die Ungnade, in
die ich gefallen bin, werden mitbüßen müssen.«
    Die Lippen des Obersten zitterten vor
Erregung. Er stammelte, man müsse kämpfen, er selbst werde kämpfen.
Endlich wandte er sich hastig um und rief:
    »August!«
    Der Junge lag auf allen vieren unter dem Schreibtische, damit
beschäftigt, die Titel der Aktenhefte zu lesen, was ihm gestattete,
funkelnde Blicke auf die niedlichen Stiefelchen der Frau Bouchard
zu werfen. Jetzt kam er eilig herbei, und der Oberst fuhr halblaut
fort:
    »Da sehen Sie den Sausewind. Sie wissen, eines Tages werde ich
ihn irgendwo unterbringen müssen. Dabei zähle ich auf Sie. Ich
schwanke noch zwischen der richterlichen Laufbahn und der
Verwaltung… Gib die Patsche, August, daß dein guter Freund sich
deiner erinnere!«
    Inzwischen hatte Frau Bouchard, die bisher vor Ungeduld an ihrem
Handschuh genagt hatte, sich erhoben, nach dem Fenster links
begeben und Herrn d'Escorailles gewinkt, ihr zu folgen. Ihr Gatte
befand sich schon dort, mit aufgestützten Ellbogen die Aussicht
genießend. Gegenüber standen die mächtigen Kastanien der Tuilerien
mit ihrem im warmen Sonnenlichte zitternden Laube; die Seine, hier
in ihrem Abschnitt von der Königsbrücke bis zur Eintrachtsbrücke
sichtbar, wälzte ihre blauen, glitzernden Wogen dahin.
    Plötzlich wandte sich Frau Bouchard um und rief:
    »O, Herr Rougon, sehen Sie doch nur!«
    Da er sich beeilte, den Obersten stehenzulassen, um dem Rufe zu
folgen, zog sich Du Poizat, welcher der jungen Frau gefolgt war,
bescheiden zu Herrn Kahn an das Mittelfenster zurück.
    »Sehen Sie das Ziegelschiff? Beinahe wäre es eben gekentert«,
fuhr die junge Frau lebhaft fort.
    Rougon blieb höflicherweise stehen, bis Herr d'Escorailles auf
einen neuen Blick der jungen Frau ihm sagte: »Herr Bouchard will sich zur Ruhe setzen. Wir haben
ihn hergeführt, daß Sie ihn zur Vernunft bringen.«
    Herr Bouchard erklärte darauf, die Ungerechtigkeiten der
Menschen empörten ihn:
    »Ja, Herr Rougon, ich habe als Expeditionsbeamter im Ministerium
des Innern begonnen und habe es bis zum Bureauvorsteher gebracht,
ohne fremder Gunst oder eigenen Ränken irgend etwas zu verdanken…
Seit dem Jahre 1847 bin ich Bureauvorsteher. Fünfmal ist der Platz
des Abteilungsvorstandes schon frei gewesen, viermal unter der
Republik, einmal unter dem Kaiserreich, ohne daß der Minister an
mich und meine berechtigten Ansprüche gedacht hätte! … Jetzt
sind Sie auch nicht mehr da, um das mir gegebene Versprechen zu
erfüllen; da ziehe ich mich lieber zurück.«
    Rougon mußte ihn beruhigen. Die Stelle sei noch keinem andern
verliehen; sollte sie ihm noch einmal entgehen, so sei es nur eine
verlorene Gelegenheit, die sicher wiederkehren werde. Dann ergriff
er Frau Bouchards Hände und sagte ihr väterliche Artigkeiten. Ihres
Gatten Haus war das erste gewesen, das ihn nach seiner Ankunft in
Paris aufgenommen hatte. Dort hatte er den Obersten, einen Vetter
des Hausherrn, getroffen. Als dann Herr Bouchard im Alter von
vierundfünfzig Jahren seinen Vater beerbte und das Verlangen hatte,
zu heiraten, war Rougon Trauzeuge der Frau Bouchard, geb. Adele
Desvignes, eines sehr wohlerzogenen Mädchens aus einer ehrbaren
Familie in Rambouillet. Der Bureauvorsteher hatte ein Mädchen aus
der Provinz gewünscht, weil er auf Ehrbarkeit hielt. Adele, blond,
zierlich, liebenswürdig, mit der etwas einfältigen Kindlichkeit
ihrer blauen Augen, war in ihrer vierjährigen Ehe schon beim
dritten Liebhaber angelangt.
    »Seien Sie unbesorgt!« sagte Rougon und drückte ihre Hände; »Sie wissen wohl, daß man alles tut, was Sie
wollen. Jules wird Ihnen dieser Tage sagen, woran wir sind.«
    Darauf nahm er Herrn d'Escorailles beiseite, um ihm mitzuteilen,
daß er am Morgen an dessen Vater geschrieben, um ihn zu beruhigen.
Der junge Mann werde sicher seine Stelle behalten. Die
d'Escorailles waren eines der ältesten Geschlechter von Plassans
und erfreuten sich dort allgemeiner Verehrung. Daher setzte Rougon,
der einst in schiefen Schuhen vor dem Hause des alten Marquis,
Jules' Vater, sich herumgetrieben, seinen Stolz darein, den jungen
Mann als seinen Schützling zu

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