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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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berichtete, daß sie bei einem Handkusse ihm
ohnmächtig in die Arme gesunken war, erklärte Rougon dies für einen
Beweis größter Seelenreinheit. Als die Geschichte ihr zu lange
währte, überlieferte sich Clorinde an einem Juliabende mit der
plötzlichen Hingebung eines Backfisches. Delestang war von diesem
Siege ganz verwirrt? um so mehr, als er sich vorwarf, sich feige
eine Ohnmacht des Mädchens zunutze gemacht zu haben; sie hatte wie
tot dagelegen und schien sich an nichts zu erinnern. Als er sich zu
entschuldigen wagte oder wieder eine Zärtlichkeit versuchte, sah
sie ihn so unschuldig an, daß er anfing zu stammeln, von
Gewissensbissen und zugleich von Verlangen verzehrt. Nach diesem
Abenteuer dachte er ernstlich daran, sie zu heiraten, um die
Abscheulichkeit, die er begangen, wiedergutzumachen; auch sah er
darin ein Mittel, um das gestohlene Glück von Rechts wegen zu
besitzen, dieses Glück einer Minute, das ihn noch in der Erinnerung
erglühen machte, und das er anders wiederzufinden verzweifelte.
    Doch zögerte er noch acht Tage lang und ging erst mit Rougon
sich beraten. Als dieser das Vorgefallene erfahren hatte, blieb er
einen Augenblick gesenkten Hauptes sitzen, um den Abgrund dieses
Frauenherzens in seiner ganzen Schwärze zu
ergründen: den langen Widerstand, den sie ihm entgegengesetzt, um
dann plötzlich diesem Schafskopf in die Arme zu sinken. Die
geheimen Triebfedern dieses Gegensatzes in ihrem Benehmen begriff
er nicht. Im Innersten verletzt, fühlte er anfangs das Bedürfnis,
mit einer Flut von Beschimpfungen alles herauszusagen. Übrigens
leugnete Delestang als galanter Mann auf seine rohen Fragen jede
intime Beziehung, und dies genügte, Rougon wieder zu sich zu
bringen. Er brachte dann den ehemaligen Anwalt sehr geschickt zu
einem Entschluß. Er riet ihm nicht gerade zu dieser Ehe, aber trieb
ihn dazu durch Erwägungen, die mit der Sache eigentlich gar nicht
in Zusammenhang standen. Die häßlichen Geschichten, die über
Fräulein Balbi in Umlauf waren, hätten ihn überrascht; er habe
nicht daran geglaubt, selbst Erkundigungen eingezogen und nur
Vorteilhaftes erfahren. Übrigens dürfe man nicht über das Weib
reden, das man liebe. Das war sein letztes Wort.
    Als man sechs Wochen später aus der Magdalenenkirche kam, wo die
Hochzeit mit außerordentlicher Pracht gefeiert worden, antwortete
Rougon einem Abgeordneten, der ihm seine Verwunderung über
Delestangs Wahl ausdrückte:
    »Was wollen Sie? Ich habe es ihm hundertmal gesagt… Er mußte
durch eine Frau eingetunkt werden.«
    Gegen Ausgang des Winters erfuhren Delestang und seine Frau, als
sie von ihrer Reise nach Italien zurückkehrten, Rougon stehe im
Begriffe, Fräulein Beulin d'Orchère heimzuführen. Als sie ihn
besuchten, beglückwünschte ihn Clorinde mit der größten
Unbefangenheit. Er erwiderte gutmütig, er tue es nur um seiner
Freunde willen. Seit einem Vierteljahre verfolge man ihn beständig
mit dem Beweise, daß ein Mann in seiner Stellung verheiratet sein
müsse. Er erzählte es lachend und fügte hinzu, daß, wenn er
abends seine Freunde empfange, kein
weibliches Wesen da sei, den Tee einzuschenken.
    »Also ist Ihnen dieser Gedanke ganz plötzlich gekommen?«
erwiderte Clorinde lächelnd. »Sie hätten zugleich mit uns heiraten
müssen, dann wären wir zusammen nach Italien gegangen.«
    Sie fragte ihn, noch immer scherzend, ob nicht sein Freund Du
Poizat diesen guten Einfall gehabt habe. Er verneinte; Du Poizat
habe im Gegenteil diese Verbindung aufs entschiedenste bekämpft;
der ehemalige Unterpräfekt verabscheue Herrn Beulin d'Orchère. Aber
alle anderen, Herr Kahn, Herr Béjuin, Frau Correur, die Charbonnels
sogar, seien in den Lobeserhebungen des Fräulein Veronika
unerschöpflich gewesen; sie werde nach ihrer Ansicht Tugenden,
Gedeihen und unsagbare Reize in sein Haus bringen. Er schloß mit
der scherzhaften Wendung:
    »Kurz und gut, man hat dies Weib eigens für mich gemacht; ich
konnte sie nicht ausschlagen.«
    Dann fügte er bedeutungsvoll hinzu:
    »Für den Fall, daß wir im Herbste Krieg haben, muß man sich
rechtzeitig nach Bundesgenossen umsehen.
    Clorinde stimmte ihm lebhaft bei und begann ebenfalls ein
Loblied auf Fräulein Beulin d'Orchère, die sie doch nur einmal
gesehen hatte. Delestang, der sich bis dahin begnügt hatte, mit dem
Kopfe zu nicken, ohne seine Frau aus den Augen zu lassen, erging
sich jetzt ebenfalls in Lobpreisungen der Ehe. Er wollte eben
berichten, wie glücklich er sei, da erhob

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