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Seine Exzellenz Eugène Rougon

Seine Exzellenz Eugène Rougon

Titel: Seine Exzellenz Eugène Rougon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ersten Donnerstage im Juli nach den allgemeinen Wahlen
war die ganze Schar seit acht Uhr im roten Zimmerversammelt. Die Damen Bouchard, Charbonnel und
Correur saßen am offenen Fenster und genossen den schwachen
Luftzug, der hin und wieder aus dem engen Garten hereindrang. In
ihrer Mitte stand Herr d'Escorailles, der seine Erlebnisse in
Plassans vortrug, wie er zwölf Stunden in Monaco zugebracht habe
unter dem Vorwande, bei einem Freunde zu jagen. Frau Rougon saß
ganz in Schwarz hinter einem Vorhang halb verborgen; sie achtete
nicht auf das Gespräch und verschwand, sich still erhebend, auf
ganze Viertelstunden. Neben den Frauen saß noch Herr Charbonnel am
Rande eines Sessels, erstaunt, einen wohlerzogenen jungen Mann
solche Abenteuer vortragen zu hören. Im Hintergrunde des Zimmers
stand Clorinde und hörte zerstreut zu, wie ihr Gatte und Herr
Bejuin sich über die Ernte unterhielten. In rohseidenem Kleide, das
reich mit strohfarbenen Bändern besetzt war, klopfte sie mit ihrem
Fächer auf den linken Handteller und starrte auf den Lichtkreis der
einzigen Lampe, die das Gemach erleuchtete. In ihrem gelben Lichte
saßen an einem Spieltische der Oberst und Herr Bouchard beim Piket,
während Rougon an einer Ecke des grünen Tisches mit großem Eifer
und Ernst unermüdlich Karten legte. Das war an diesen Abenden seine
Lieblingsbeschäftigung, womit er seine Gedanken und seine Finger
unterhielt.
    »Wird es gelingen?« fragte Clorinde, indem sie lächelnd
herzutrat.
    »Es gelingt immer!« versetzte er mit größter Seelenruhe.
    Sie stand ihm gegenüber an der andern Seite des Tisches, während
er das Spiel in acht Häufchen zerlegte.
    Als er alle Karten je zwei und zwei gezogen hatte, bemerkte
sie:
    »Sie haben recht, es gelingt immer … Woran hatten Sie
gedacht?«
    Er blickte langsam zu ihr auf, wie erstaunt
über die Frage und versetzte endlich:
    »Was für Wetter morgen sein wird.«
    Damit begann er die Karten wieder auszubreiten. Delestang und
Herr Béjuin redeten nicht mehr; man hörte nur das perlende Lachen
der hübschen Frau Bouchard. Clorinde trat an das Fenster, blickte
in die sinkende Nacht hinaus und fragte, ohne sich umzuwenden:
    »Weiß man etwas Neues über den armen Herrn Kahn?«
    »Ich habe einen Brief von ihm bekommen und erwarte ihn heute
abend«, erwiderte Rougon.
    Dies brachte das Gespräch auf Herrn Kahns Unglück. Er hatte in
der letzten Sitzungszeit die Unklugheit begangen, einen
Gesetzentwurf der Regierung ziemlich scharf zu tadeln; dieser
Gesetzentwurf schuf seinen Hochöfen zu Bressuire eine furchtbare
Konkurrenz, die sie mit dem Untergange bedrohte. Er glaubte damit
die Grenzen der erlaubten Selbstverteidigung nicht überschritten zu
haben; als er jedoch nach Deux-Sèvres zurückkehrte, um seine
Wiederwahl zu betreiben, erfuhr er aus dem Munde des Präfekten
selbst, daß er nicht mehr der Kandidat der Regierung sei; er stehe
nicht mehr in Gunst, und der Minister habe deshalb eine ihm
ergebene Mittelmäßigkeit, einen Advokaten aus Niort, bestimmt. Das
war ein Keulenschlag für den Armen.
    Rougon berichtete eben das Nähere, als Herr Kahn in Begleitung
Du Poizats eintrat. Beide waren mit dem Sieben-Uhr-Zuge gekommen
und hatten sich nicht einmal Zeit gegönnt zu essen.
    »Was sagen Sie?« fragte Herr Kahn mitten im Zimmer, von den
andern umdrängt. »Ich bin jetzt ein Aufrührer!«
    Du Poizat hatte sich in einen Sessel geworfen, er schien
übermüdet. Jetzt rief er:
    »Ein sauberer Wahlfeldzug, ein netter Quark!
Das muß alle anständigen Leute abschrecken!«
    Herr Kahn mußte die Geschichte ausführlich erzählen. Gleich nach
seiner Ankunft habe er dort bei seinen besten Freunden eine gewisse
Verlegenheit bemerkt. Der Präfekt, Herr de Langlade, sei ein
Wüstling, der mit der Frau des neuen Kandidaten, des Advokaten aus
Niort, intime Beziehungen unterhalte. Immerhin habe dieser Langlade
ihm seine Verabschiedung in sehr liebenswürdiger Weise zur Kenntnis
gebracht, nämlich bei einer Zigarre nach einem Frühstück, wozu er
ihn auf die Präfektur geladen. Darauf berichtete er dies Gespräch
von Anfang bis zu Ende. Das Schlimmste bei der Sache sei, daß seine
Wahlaufrufe schon in Druck waren. Anfangs sei er so aufgebracht
gewesen, daß er sich trotzdem um die Wahl bewerben wollte.
    »Hätten Sie uns nicht geschrieben, wir würden es der Regierung
eingetränkt haben!« sagte Du Poizat zu Rougon.
    Dieser zuckte die Achseln und erwiderte nachlässig, seine Karten
mischend:
    »Sie wären

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