Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Kirche stellt sich
ihrer Verantwortung, besonders bei der Unterstützung der schwächeren Schichten
der Bevölkerung, und daher erfüllt sie, wie ich meine, eine Aufgabe im Dienst
der italienischen Gesellschaft.« Das Problem scheint allerdings zumindest nicht
gänzlich erfasst worden zu sein: Die Änderungen sind kein freundliches
Entgegenkommen der Kardinäle, wie sie selbst es in der Öffentlichkeit darstellen.
Es handelt sich nicht um eine Klärung, sondern um eine zwingende Notwendigkeit.
Wenn sich die Situation nicht ändert, besteht nämlich die Gefahr, dass die
Europäische Kommission – um es noch einmal deutlich zu sagen – Italien zu einer
enormen Geldstrafe verurteilt, die dann notwendigerweise von der Kirche
eingefordert werden müsste. Weder Bertone noch Bagnasco erwähnen diesen Aspekt
der Angelegenheit, ihre Erklärungen klingen wie großzügige Zugeständnisse.
Mitte Februar 2012 kündigt Monti die Revolution an: Es wird eine
Immobiliensteuer für Kirchengüter geben. Sie soll nicht bei religiösen, wohl
aber bei gewerblichen Einrichtungen der Kirche greifen: Hotels, Schulen und
Krankenhäusern. Um die Freistellung zu erhalten, wird es also nicht mehr ausreichen,
innerhalb eines Gebäudes über eine Einrichtung oder einen Raum zum Beten zu
verfügen. Für den Fiskus soll es auf die »hauptsächliche Nutzung« des Gebäudes
ankommen, mit entsprechenden prozentualen Anteilen an gewerblicher bzw.
religiöser Nutzung. Stätten der Religionsausübung sind nach wie vor von der
Steuer befreit, aber die Regelung stellt die kommerziellen Aktivitäten des
Klerus denen aller anderen gleich. Die Entscheidung wird von der Europäischen
Union rasch aufgenommen: »Ein spürbarer Fortschritt«, kommentiert Almunias
Pressesprecher, »wir hoffen, das Verstoßverfahren gegen Italien einstellen zu
können.«
Der Fall Ruby in den Akten des Papstes
Die neue Regierung Monti stellt eine ausgewogene
»Behandlung« der Immobiliensteuerfrage sicher und schafft damit ein Thema vom
Tisch, das jede Regierung hätte aus der Bahn werfen können, zumindest in
Italien. Die schonende Haltung gegenüber der Kirche konnte kaum jemanden
verwundern. Denn bei der Bildung dieser Übergangsregierung hat der Vatikan all
seinen Einfluss aufgeboten und dem Kabinettschef in pectore Tipps und Empfehlungen zukommen lassen, schon in den Monaten vor seinem
Amtsantritt. Die Kirchenführung legt sich ins Zeug, um nach dem Sturz
Berlusconis einen für sie günstigen Wechsel sicherzustellen. Es ist kein
Zufall, dass Wochen vor Bildung der neuen Regierung der mit Kardinal Bagnasco
befreundete ehemalige Chefredakteur von Avvenire ,
Dino Boffo, nunmehr Direktor des Fernsehsenders der Italienischen
Bischofskonferenz Tv2000,
immer wieder auf der aktiven Rolle der Katholiken in der Politik beharrte und
dabei Namen nannte, die wir dann in Montis Kabinettsliste wiederfinden, nämlich
Lorenzo Ornaghi und Andrea Riccardi. Der Vatikanexperte Andrea Tornielli
schreibt hierzu:
In der neuen
Regierungsmannschaft gibt es drei Minister, die in Todi [beim Treffen der
Katholiken für einen Politikwechsel am 17. Oktober 2011] mit dabei waren:
Ornaghi, Riccardi und Corrado Passera. Francesco Profumo (Bildung und
Forschung), Paola Severino (Justiz) und Piero Gnudi (Tourismus und Sport) sind
ebenfalls katholisch. Auch die katholisch-demokratische Strömung ist sichtbar
vertreten – mit dem neuen Gesundheitsminister Renato Balduzzi, der seit einem
Jahr einen Lehrstuhl an der Katholischen Universität innehat und hier ein Ressort
zugewiesen bekommt, das sicher bedeutender ist als das seines Rektors
[Ornaghi]. […] Ornaghi ist gewiss derjenige Minister, der der katholischen
Kirche am nächsten steht. Als Politologe und Schüler des Gründervaters der Lega
Nord Gianfranco Miglio, der 2001 auf Wunsch des damaligen
Ministers für Sozialpolitik Roberto Maroni zum Präsidenten der Aufsichtsbehörde
für ehrenamtliche Tätigkeiten ernannt wurde, leitet der 1948 in Villasanta bei Monza geborene
Ornaghi seit 2002 die Katholische Universität. Er hat nicht nur einen
direkten Draht zu Bagnasco, sondern ist auch im Vatikan gut bekannt. […]
Ornaghi hat in den letzten Monaten dem Mailänder Kardinal Dionigi Tettamanzi in
seinem Widerstand gegen den Versuch Bertones beigestanden, die Führungsspitze
des Istituto Toniolo auszutauschen, des finanziellen Trägers der Katholischen
Universität. [3]
In der Tat hatte Ornaghi ein vertrauliches Gespräch mit
Georg Gänswein,
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