Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
schätzen und vertrauen einander. Jenseits des Bronzeportals können
beide auf stabile Allianzen zählen.
Tremonti und Gotti Tedeschi greifen das Thema der Immobiliensteuer
wieder auf, mit dem sie sich bereits im Sommer 2010 bei Beratungen zum
Steuersystem hinter verschlossenen Türen befasst hatten. Sie beschließen,
gemeinsam zu überlegen, wie sie ihren Vorgesetzten – Berlusconi auf der einen
sowie Bertone und Ratzinger auf der anderen Seite – mögliche Alternativen
vorschlagen können, um den drohenden Aderlass zu vermeiden. Eine goldene Regel
auf den höheren Etagen der heiligen Hallen besagt, man solle nie mit einem
Problem vorstellig werden, ohne mindestens zwei praktikable Lösungen
anzubieten. Die Begegnung verläuft pragmatisch. Der Bankier ist sich bewusst,
dass die Führung im Vatikan noch nicht recht begriffen hat, was da auf sie
zukommen kann. Er teilt Tremontis Sorge und ist mit dessen Empfehlungen
einverstanden. Die Zeit drängt. Sie beschließen, Bertone und Ratzinger
möglichst realistisch und detailliert ins Bild zu setzen und gleichzeitig
mögliche Auswege aufzuzeigen. Anhand der Dokumente, die jetzt erstmals aus dem
Vatikan herausgefunden haben, können wir die Wege der Diplomatie, der
Verflechtungen und Allianzen zwischen Kardinälen und Ministern nachvollziehen,
ohne uns auf Indiskretionen verlassen zu müssen. Es sind Unterlagen, die an
Benedikt XVI. und seine engsten Mitarbeiter
gerichtet sind.
Dies alles geht aus einer Aktennotiz »Kurzbericht zum Problem ICI« hervor, die Gotti Tedeschi an Bertone
schickt und als »mir vom Schatzminister [dem Wirtschaftsminister, nämlich
Tremonti] vertraulich empfohlen« bezeichnet. Eine vielsagende Nachricht, die
zeigt, dass der Heilige Stuhl und die Regierung Berlusconi gemeinsam die Fäden
gezogen haben, um das Problem der Immobiliensteuer zu lösen. Das Papier ist für
mehrere Empfänger bestimmt, lauter hochrangige Persönlichkeiten. Eine Abschrift
gelangt über den Privatsekretär des Papstes, Georg Gänswein, auch Benedikt XVI. zur Kenntnis:
Persönlich
und vertraulich. Kurzbericht zum Problem ICI (Memorandum für SER [Sua Eminenza
Reverendissima] Kard. Tarcisio Bertone, mir vom Schatzminister vertraulich
empfohlen).
2010 leitet
die EU ein Verfahren gegen den italienischen Staat ein wegen nicht hinnehmbarer
»Staatshilfen« an die katholische Kirche.
Dieses
Verfahren birgt nunmehr die Gefahr einer Verurteilung Italiens mit
entsprechender Festsetzung der seit 2005 nicht entrichteten Steuerschuld. Diese
Steuern hat der italienische Staat zu zahlen, der sich (vermutlich) an der
Bischofskonferenz schadlos halten wird, aber hinsichtlich der Einrichtungen und
Kongregationen ist nicht klar, an wem.
Da die
Europäische Kommission nicht von ihrer Position abzurücken gewillt scheint,
gibt es drei gangbare Wege:
– die ICI-Steuererleichterungen abzuschaffen (das wird
Tremonti niemals tun).
– die bisherige Regelung zu verteidigen und sich darauf zu
beschränken, eine Überprüfung der tatsächlichen gewerblichen Aktivitäten
vorzunehmen und den Wert der geleisteten »staatlichen Hilfe« zu ermitteln (ist
nicht tragbar).
– die alte, von der EU beanstandete Regelung abzuändern
(Art. 7 Abs. b der Gesetzesverordnung 203 aus dem Jahr 2005, die
auf Aktivitäten »ausschließlich« gewerblicher Natur Anwendung fand). Diese
Änderung muss zu einer neuen Vorschrift führen, die eine Kategorie für
kirchliche Bauten festlegt und ein Kriterium zur Einstufung und Definition des
gewerblichen Charakters bestimmt (nach Fläche, Nutzungsdauer und Ertrag). Die ICI
wird demnach ab einer bestimmten Größe der genutzten Fläche, der Nutzungsdauer
und des Ertrages gezahlt. In Abhängigkeit also von akzeptierten Parametern, die
aussagen, ob ein kirchliches Gebäude gewerblich genutzt wird oder nicht.
Es geht also darum, die Vorschriften zu ändern, den
Rechtsbruch und die Ambiguität zu beseitigen, die es nicht zuließ zu
definieren, welche Räumlichkeiten und Betriebe jenseits der religiösen
Tätigkeit gewerblich, also zu rein finanziellen Zwecken, genutzt werden. Nur so
lässt sich das Vorgehen der Europäischen Kommission stoppen:
Da akzeptiert
die CEI [Conferenza Episcopale Italiana, die Italienische Bischofskonferenz]
(wer sonst?) das neue Verfahren. Mit der Einwilligung werden die alten
Forderungen (von 2005 bis 2011) hinfällig, und die Europäische Union
([Wettbewerbskommissar Joaquín] Almunia) muss es akzeptieren.
Die
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