Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Göring-Eckardt an Positivem
gesagt haben, besonders bezüglich der Rede im Kapitelsaal. Jedenfalls haben die
beiden Vorsitzenden [der evangelischen Kirche] eine gewisse Diskrepanz zwischen
dieser Unterredung und der Predigt Papst Benedikts XVI. während des anschließenden
ökumenischen Gottesdienstes empfunden. Der Apostolische Nuntius ist über die
Erklärung von Frau Göring-Eckardt beunruhigt, die gesagt hat: »Die Anerkennung
als Kirche durch Rom brauchen wir wirklich nicht.« Es bestürzen einige
Kommentare Schneiders und Göring-Eckardts zu den Ansprachen des Heiligen
Vaters. In einer gewissen Polemik gegenüber dem Gedanken der Entweltlichung in
der Rede [des Papstes] im Freiburger Konzerthaus betont Schneider, Gott habe
sich in Christus »verweltlicht«. In diesem Sinn kritisiert Herr Schneider den
Papst auch für seinen Vergleich ex negativo des ökumenischen Dialogs mit
politischen Verhandlungen, mit denen Schneider zufolge die Ökumene nichts zu
tun habe. Göring-Eckardt versteigt sich in ihrer Ansprache zu bissigen Bemerkungen,
zum Beispiel wenn sie sagt: »Wir Evangelischen haben den Altersdurchschnitt im
Kapitelsaal erheblich gesenkt.« Oder: »Dass in der Augustinerkirche kein Wort
zu Martin Luther und der Reformation gefallen ist, zeigt ja auch eine gewisse
Sprachlosigkeit der anderen Seite [der Katholiken].« Der Bericht wurde zunächst
an die Zweite Sektion geschickt. S. E. Mons. Mamberti schrieb an den Rand:
»Z. Hd. Sektion für die Allgemeinen Angelegenheiten, zuständigkeitshalber. Bei
der turnusmäßigen Audienz vom 30.XI.2011 habe ich den Heiligen Vater gefragt,
ob er die Dokumentation gesehen habe. Er verneinte und bat mich um einen
Bericht.« Die Dokumentation möge daher dem Heiligen Vater zur gütigen
Kenntnisnahme vorgelegt werden.
Gottesdienst von Frauen
Wenige Monate zuvor war eine andere heikle Angelegenheit
in einem vertraulichen Dossier direkt auf dem Schreibtisch Benedikts XVI. gelandet. Diesmal kam es aus Australien.
William M. Morris, Bischof der kleinen Diözese Toowoomba bei Brisbane im
Südosten Australiens, erregt zunehmend Anstoß. Ihm werden insbesondere drei
Dinge vorgeworfen. Die ersten beiden betreffen einen Hirtenbrief vom Advent 2006:
Morris hatte den Gottesdienst von Frauen als praktikable Lösung für den
Priestermangel bezeichnet und wollte aus dem gleichen Grund auch
protestantische Pastoren die Messe lesen lassen. Zwei inakzeptable Vorschläge
für die katholische Glaubenslehre. Frauen sind zur Leitung des Gottesdienstes
nicht zugelassen, weil Jesus nur Männer zu Aposteln bestimmt hat. Darüber
hinaus erteilt Morris den Gläubigen kollektiv die Absolution, unter Verzicht
auf die Einzelbeichte. Als Grund gibt er die Größe seiner Diözese und die
geringe Zahl von Pfarreien an: nur 35 auf einer Fläche von 487 456 Quadratkilometern.
Im März 2007
schickt der Vatikan den amerikanischen Erzbischof von Denver, Charles J.
Chaput, als Visitator in die australische Stadt und sucht nach einer
diplomatischen Lösung, um Unruhe und Verwirrung unter den Gläubigen zu vermeiden.
Doch die Angelegenheit landet in den australischen Zeitungen, weil Morris
beschließt, an die Öffentlichkeit zu gehen. Er verteidigt sich mit der
Behauptung, sein Hirtenbrief sei absichtlich falsch verstanden worden. Einigen
lokalen Tageszeitungen zufolge steckt die von Morris so genannte
»Tempel-Polizei« dahinter, eine Gruppe vom rechten Flügel der Kirche. Sie habe
beim Heiligen Stuhl liberale Priester denunziert, die das Diktat des Vatikans
nicht befolgten. Der Führer der Gruppe, Richard Stokes, bestreitet zwar die
Existenz der Gruppe, nimmt aber kein Blatt vor den Mund: »Ein ungehorsamer
Priester ist eine Beleidigung Gottes.« Im Vatikan wird die Akte Morris immer
dicker. Und sie wandert vom Schreibtisch des Kardinals Re, des Präfekten der
Kongregation für die Bischöfe, auf den Schreibtisch Benedikts XVI. Der Kardinal trifft sich nicht mit dem
ungehorsamen Bischof, der im Mai 2007 in der Ewigen Stadt weilt. Die Situation hat sich
inzwischen gewandelt, eine Begegnung erscheint nicht mehr notwendig. Am 28. Juni
überstellt die Kongregation unter Vorsitz von Re Morris ein Memorandum, in dem
er zum Rücktritt aufgefordert wird. Morris kommt der Aufforderung nicht nach.
Ende 2009
greift Benedikt XVI. persönlich ein, als er Kardinal Re
die folgenden präzisen Hinweise schickt:
Vatikanstadt
11.12.2009
Notiz für
Seine Eminenz Kardinal Re
Danke für den
Briefentwurf an
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