Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Der Fall lässt wenig Raum für Phantasie: Die
Kurie wird beschuldigt, mit Pornografie ein Vermögen zu verdienen. Binnen
Stunden geht die Nachricht um die Welt und erschüttert die konservativsten
Kreise nicht nur der katholischen Kirche in Deutschland, sondern der gesamten
katholischen Weltgemeinschaft.
Der Fall löst im Vatikan gewaltige Erschütterungen aus – zum
einen wegen der enormen Peinlichkeit eines so offenkundigen und eklatanten
Widerspruchs, da die Kirche Pornografie stets vehement verurteilt hat, zum
anderen wegen der Spekulationen und Instrumentalisierungen, die sich daraus
ergeben können. Bertone übergibt die Angelegenheit Bischof Balestrero, dem
Unterstaatssekretär jener wichtigen Sektion, die sich mit den Beziehungen zu
den Staaten beschäftigt. Die Angelegenheit droht aus dem Ruder zu laufen.
Websites, Zeitungen und Fernsehsender der ganzen Welt berichten seit zwei Tagen
darüber. Balestrero bespricht sich mit Pater Lombardi, um die Tragweite und die
Implikationen des Skandals einzuschätzen. Er versucht zu eruieren, wie sich die
deutschen Bistümer dazu stellen. Zwischen Rom, der Nuntiatur in Berlin und
einigen peinlich berührten deutschen Kardinälen laufen die Telefondrähte heiß.
Den Dokumenten, die jetzt erstmals den Weg aus dem Inneren der Kirche gefunden
haben, lässt sich entnehmen, wie der Vatikan und insbesondere Papst Benedikt XVI.mit dieser Ausnahmesituation umging. Wer in
jenen Tagen in die päpstlichen Privatgemächer vorgelassen wird, trifft auf
einen betrübten, verwunderten und wortkargen Benedikt XVI. Schließlich entscheidet man sich für einen
Schachzug, der allerdings keine wirkliche Lösung bringt.
Der Krisenstab des Staatssekretariats konzentriert sich auf drei
Schwerpunkte. Zunächst möchte man sich ein Bild von der Lage machen, um zu
verstehen, wie die Angelegenheit über die Medien derart hochkochen konnte ( Die Welt und die Frankfurter Allgemeine
Zeitung hatten den Fall an die Öffentlichkeit gebracht); parallel dazu
versucht man herauszufinden, wie die Verlagsgruppe Weltbild
gesellschaftsrechtlich strukturiert ist und warum die deutschen Bischöfe das
Problem nicht schon vor Jahren bereinigt haben. Und schließlich will man eine
Strategie erarbeiten, um das Ganze so schnell und so schmerzlos wie möglich
hinter sich zu bringen. Das erste Dossier Balestreros an den Privatsekretär
Ratzingers, dem Dutzende von Artikeln beiliegen, zeichnet ein schonungsloses Bild
der Lage und des Dilemmas der katholischen Kirche in Deutschland.
Ich halte es
für geboten, meine Vorgesetzten über Folgendes zu informieren: Am 27. Oktober erschienen im Internet
Zeitungsartikel in deutscher und italienischer Sprache, die mit verschiedenen
Überschriften auf einen unrühmlichen – Tag für Tag weiter aufgebauschten –
Sachverhalt verweisen, der die katholische Kirche in Deutschland betrifft.
Es wurde
gemeldet, dass das bekannte Verlagshaus »Weltbild« vollständig (zu 100 %) im Besitz einiger deutscher
Diözesen ist. »Weltbild« ist eines der großen Verlags- und Versandunternehmen
von Büchern in Deutschland. In seinem Sortiment befinden sich auch circa 2500 erotische und esoterische Titel. Die Zeitungen nehmen dieser Tage kein Blatt vor den
Mund (siehe Anlage). »Sex, Magie und Satanismus. So verdienen die deutschen
Bischöfe Geld«; »Bischöfe als Pornoproduzenten?«; »Katholische Gruppen drohen
Weltbild-Verlag mit Boykott«; »Pornoromane: katholische Kirche im Kreuzfeuer«;
»Deutschland. Die Kirche in der Kritik. Sie macht Geschäfte mit Pornografie«;
»Die katholische Kirche macht mit Pornos ein Vermögen. Wirbel um ein
katholisches Verlagshaus« (vgl. anhängige Artikel).
Balestrero zeigt also mit dem Finger auf diejenigen, die
seit 2008
nichts unternommen haben, um die Situation zu bereinigen, und damit die Kirche
erneut diesem Skandal ausgeliefert haben. Seinerzeit hatte man sich erfolglos
nach einem Käufer für den Verlag umgesehen, danach geriet alles wieder in
Vergessenheit. Der zweite Mann im vatikanischen Außenministerium beschuldigt
nun die deutschen Bischöfe, nicht nur dieses seit Jahren bekannte Problem nicht
gelöst zu haben, sondern dadurch heute auch den Heiligen Vater vorhersehbarer
und vermeidbarer Kritik auszusetzen:
Wie sich
jetzt herausstellt, haben katholische Kreise in den vergangenen Jahren mehrfach
auf die […] Situation hingewiesen und sie dokumentiert. Sie haben auch
versucht, die deutschen Bischöfe davon zu
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